Zur Schlagzeile: „Pflege ist eine tickende Zeitbombe“

Zitiert wird damit die Feststellung eines Vorstandsmitglieds der R+V Versicherung, angesichts  alarmierender  Zahlen, die bei der Studie „Weil Zukunft Pflege braucht“ herausgekommen sind.  Im Grunde untermauert diese  Studie lediglich die Fakten, die seit Jahren bekannt sind.  Doch wie kann man diese Zeitbombe entschärfen?  Das ist doch die spannende Frage.  Vielen Politikern sind solche „alle Jahre wieder“ hinaus posaunten Botschaften, willkommen, etwa um der   geforderten Bürgerversicherung, Nachdruck zu verleihen. Pflegefunktionäre greifen derartige Meldungen gerne auf, um die Notwendigkeit einer Pflegekammer zu unterstreichen. Versicherungen können mit solchen Unheilsankündigungen auf ihre Vorsorgeangebote aufmerksam machen.

Doch keines der in den bisherigen Debatten postulierten Mittel, kann alleine das Heil bringen. Eben so wenig  wie die Pflegeversicherung per se menschenwürdige Pflege gewährleistet, werden durch eine Bürgerversicherung oder private Vorsorgekonzepte menschenwürdige  Lebensverhältnisse in den Familien und Einrichtungen geschaffen.  Ohne eine klare Zielbestimmung und ein durchdachtes  Gesamtkonzept  wird zusätzliches Geld die Bombe nicht einmal entschärfen können, geschweige denn langfristig stabile Verhältnisse schaffen.

Zunächst muss man doch wissen, wo die Reise hingehen soll, bevor man überlegt wie man dort hinkommt und wie teuer das wird.  Bezogen auf die Pflege wurde 2005 mit  der „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ www.pflege-charta.de , ein Qualitätsmaßstab definiert, der jedoch bis heute keine Verbindlichkeit hat.  Ich höre noch den Aufschrei einiger Wohlfahrtsverbände, als diese Charta vorgestellt wurde. „Um das alles gewährleisten zu können brauchten wir viel mehr Personal und eine andere Finanzbasis.“ Anstatt diesen Punkt aufzugreifen und Mittel und Wege zu suchen, um die in der Charta beschriebenen Rechte (Selbstverständlichkeiten)  gewährleisten zu können, hat sich die Politik entschieden, diese Qualität nicht einzufordern. So steht die Charta lediglich als Empfehlungspapier da. Tatsächlich bleiben die formalen und überprüften Anforderungen an die Leistungsanbieter, weit hinter dem Anspruch der Pflege-Charta zurück.  Nach wie vor werden hunderttausende  pflegebedürftige Menschen ruhig gestellt, ihrer Freiheit und Würde beraubt, weil man meint kein Geld für mehr Personal ausgeben zu können.   Pflegekräfte merken  natürlich auch, dass es nahezu unmöglich ist, im Durchschnitt 12,5  Hilfebedürftigen während eines Dienstes gerecht zu werden. Wer in diesem Beruf länger durchhalten will, muss sich auf das Machbare und von den Prüfbehörden geforderte konzentrieren. Das so erzeugte Arbeitsklima in den meisten Einrichtungen ist aus unserer Sicht die Hauptursache dafür, dass der Altenpflegeberuf immer unattraktiver wird.  Hingegen dort wo Pflegekräfte von den Bewohner regelmäßig mit einem zufriedenen Lächeln belohnt werden, weil sie sich mehr Zeit für jeden nehmen können und ein insgesamt gutes Miteinander herrscht, will keiner weg. Diese Einrichtungen werden auch in Zukunft  keine Personalprobleme haben.

Schlechte Qualität zahlt sich nie aus!

Darum nochmals unser Appell an die Politik, im ersten Schritt die Pflege-Charta zum allgemeingültigen Maßstab zu erklären, um dann in weiteren Schritten Mittel und Wege zu diesem Ziel zu finden.

Bevor Maßnahmen entschieden werden, die mehr Geld ins System bringen, sollte sichergestellt werden, dass dieses Geld so einzusetzen, dass es auch dort ankommt wo es gebraucht wird. Sonst verdienen erneut die Falschen daran. Und  Vereine wie unserer werden nach wie vor, gegen Missstände ankämpfen müssen, die nicht auf zu wenig Geld zurück zu führen sind, sondern auf ein System das die belohnt, die die Kranken kränker und den Pflegebedürftigen pflegebedürftiger macht. Hier sind unbedingt auch die Ärzte mit einzubeziehen.

Man schaue sich nur den Verschiebebahnhof zwischen Krankenkassen und Pflegekassen an. Gerade heute eine Meldung vom Milliardenüberschuss der Kassen. Und trotz dieses Überschusses werden Menschen in den gerontopsychiatrischen Krankenhäusern routinemäßig ruhig gestellt, weil das bei dem wenigen Personal anders nicht geht. Auf der anderen Seite setzte sich die  Politik gerade in diesem Jahr  verstärkt dafür ein, dass mehr Organe verpflanzt werden. Hier spielen die Kosten keine Rolle.  Dabei könnte man mit dem Geld für eine einzige Transplantation, das Jahresgehalt von bis zu 5 Pflegekräften zahlen. Um hier nur ein Beispiel für die Frage nach der Verhältnismäßigkeit zu stellen.

Wie sagte schon Seneca: „Man findet für alles Zeit wofür man Zeit finden will“. Mit dem Geld ist das genau so. Es ist immer eine Frage der Priorität und der Verteilung.  Im Grundgesetz der BRD wurde die Menschenwürde an die erster Stelle gesetzt. Dem müsste sich die Politik dann auch an erster Stelle verpflichtet fühlen.

Adelheid von Stösser

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