Gewalt in der Pflege – unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit

„Gewalt hängt NICHT von einzelnen Tätern ab, sie ist IMMER ein institutionelles Problem.“, erklärt der Experte Siegfried Huhn, in der Zeitschrift  Die Schwester Der Pfleger  (Jahrg.9/17).

„Die Ausführung erfolgt zwar durch einzelne Täter, berichtet er …: „Aber selbst die schlimmsten Fälle, die wir kennen, waren im Vorfeld bekannt. Es gab Verdachtsmomente, bis zur praktischen Unterstützung, bis zur Aufforderung, eine Tat zu begehen. In der Charité wurde zum Beispiel der tötenden Krankenschwester von ihren Kollegen gesagt: „Da musst du mal etwas machen.“ Das heißt mit anderen Worten: „Bring sie um!“ Oder: „Der ist überfällig!“ Auch der Pfleger Niels H aus Delmenhorst war schon lange vorher auffällig. Was ich in den meisten Einrichtungen erlebe, ist ein kollektives Mittragen – und nicht nur einzelner Stationen sondern ganzer Häuser.“

Ein Beitrag mit Seltenheitswert, weil er eine  Hauptursache von Gewalt in den Vordergrund stellt, nämlich  schwache Leitungskräfte, die sich nicht trauen, Dinge klar anzusprechen, die nicht in der Lage sind Qualitätsstandards aufzustellen und deren Beachtung einzufordern.   Leitungskräfte, die sich schützend hinter den Täter  (Mitarbeiter) stellen und eher dem Opfer die Schuld geben.   Beispielsweise berichtet  Huhn  von einem Fall, wo ein Pfleger einer Bewohnerin absichtlich frisch gekochten Kaffee ins Gesicht geschüttet hatte.  Die Pflegedienstleiterin verteidigte die folgenschwere Verbrühung  mit der Bemerkung: „Wenn Sie die Bewohnerin kennen würden, würden Sie den Pfleger verstehen.“ Auch die Heimleitung sah wohl keinen Grund, den Pfleger wegen dieses Ausrastens zu entlassen.  Ich danke Brigitte Teigeler, Chefredakteurin oben genannter Zeitschrift, für die Erlaubnis,  das von ihr geführte  Interview auf pflege-prisma.de veröffentlichen zu dürfen: SP_09_2017_Teigeler_Gewalt_haengt_nicht_von_einzelnen_Taetern_ab_22_27

Gewalt in der Pflege ist vorprogrammiert und einkalkuliert.
Kommt zu der  Führungsschwäche auch noch fehlendes Verantwortungsbewusstsein und ein Haltungsproblem, kann sich jeder leicht ausmalen wie sich das Klima unter einer solchen Leitung entwickelt.  Wo wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen und an allen Ecken und Enden Personalkosten eingespart werden, sind Gewaltreaktionen  vorprogrammiert. Ja, sie sind sogar einkalkuliert.  Denn:  Weil es üblich ist, anstrengende, unruhige Patienten/Bewohner medikamentös gefügig zu machen, ist es überhaupt nur möglich, mit so wenig Personal über die Runden zu kommen.  Es wird doch von vorneherein einkalkuliert, dass Pflegebedürftige im Schnellverfahren abgefertigt werden. Für diese Abfertigungspraxis  gibt es sogar Bestnoten.  Oder schauen Sie sich die Ausbildung an vielen Altenpflegeschulen an.  Die menschlichen Qualitäten spielen bei der Auswahl kaum eine Rolle. Weil man die Kurse voll bekommen will und Fachkräfte dringend gebraucht werden, werden schon während der Ausbildung sämtliche Augen zugedrückt.  So vermutlich auch bei den drei Altenpflegefachkräften,  die derzeit in der Pfalz  auf der Anklagebank sitzen.  Es handelt sich um Deutsche im Alter von 24, 27 und 48 Jahren.  Diesen werden zwei Morde, ein versuchter Mord, sowie eine lange Liste von Misshandlungen vorgeworfen.  Eine halbe Stunde habe die Oberstaatsanwältin  gebraucht, um die 33 Anklagepunkte bei Prozessbeginn zu verlesen. Dabei handelt es sich noch nur um die dokumentierten und nachweisbaren Vergehen.  Via WhatsApp hätten sich diese drei gegenseitig zu immer perverseren Schandtaten angestachelt.  Zum Beispiel habe der 24 jährige einer Bewohnerin eine Hitlerfrisur gekämmt und ein Hitlerbärtchen aufgemalt. Das betreffende Foto schickte er den beiden Kollegen, die daran ihren Spaß hatten und  zynische Kommentare ablieferten.   Lebenslange Freiheitsstrafe – lautet das Urteil im Juni 2018

Wer hat hier alles weggeschaut?

„Klar scheint am ersten Tag nur eines: Die beiden jüngeren Angeklagten haben sich vermutlich mangels Alternativen für die Altenpflege entschieden. Der 24-Jährige, der nach eigenen Angaben an Depressionen leidet, hatte eigentlich Verkäufer werden wollen, aber die Noten waren zu schlecht. Die 27-Jährige, die regelmäßig Aufputschmittel und Tabletten nahm, wollte ursprünglich im Kindergarten arbeiten, aber die Bus-Zugverbindung erlaubte das nicht. Und das Altenheim? „Das wollte ich absolut nicht.“  /schreibt Jasper Rothfels in seinem RZ-Beitrag: Töteten drei Altenpfleger aus Langeweile?,  von 19.09.2017

Welche Verantwortung haben eigentlich  Leitungs- und Lehrkräfte an den Pflegeschulen?
Während meiner Zeit als Lehrerin an einer Krankenpflegeschule (1979-1985) konnten wir unter mehr als 100 Bewerbern, 15 auswählen, die nach unserem Verständnis, die richtige Einstellung für den Pflegeberuf mitbrachten und natürlich die schulischen Anforderungen erfüllten.  Heute sehen sich Kollegen fast schon gezwungen jeden Bewerber zu nehmen, selbst wenn dieser freimütig zugibt, dass er lieber etwas anderes machen würde. Tatsächlich sind es dann eher die menschlich am besten geeigneten, die abspringen, weil sie die Witze  über die Alten und Dementen  nicht witzig finden, mit denen Mitschüler*innen  während der Pausen oder sogar im Unterricht für allgemeine Erheiterung sorgen.  Welche Lehrkraft traut sich denn überhaupt noch, eine klare Werthaltung einzufordern?  Wenn man angehende Pflegeschüler*innen schon nicht für die eigentliche Pflegearbeit begeistern kann, so will man sie doch wenigstens bei Laune halten.

Welche Führungsqualität brauchte es in Heimen und Krankenhäusern, um Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen zu verhindern?
Das muss hier die Frage sein.  Schließlich bevorzugen schwache Führungskräfte, Mitarbeiter die noch schwächer sind. Diese wiederum nutzen die Schwäche der Pflegebedürftigen, um Stärke zeigen zu können.  Damit sind Gewalt Tor und Tür geöffnet.

Gewalt in der Pflege ist ein altes Thema  das neue Dimensionen angenommen hat.

Warum stoppte niemand Niels Högel?, fragen die Reporter Karsten Krogmann und Marco Seng von der NWZ, angesichts von 30 eingestandenen und  200 vermuteten Morde,  die dieser Krankenpfleger während seiner Dienstzeit  an zwei Kliniken verüben konnte.  Er konnte sie verüben, weil Verdachtsmomente nur intern gemunkelt wurden und die Klinikleitung darauf lediglich mit Versetzung und Kündigung reagierte. Der Chefarzt der Oldenburger Klinik entließ diesen Pfleger wegen „fehlendem Vertrauen“, stellte ihm zugleich jedoch ein mustergültiges Arbeitszeugnis aus, mit dem Niels H kein Problem hatte, sofort wieder eine neue Stelle auf der Intensivstation am Klinikum Delmenhorst zu bekommen.  Dort fiel zwar auch bald schon auf, dass es während seiner Dienstzeiten ungewöhnlich viele Reanimationen gab und die Sterberate deutlich höher lag, dennoch ging  niemand der Sache ernsthaft nach. Als ihn schließlich zwei Kollegen überführen konnten, waren in seinen Diensten oder unmittelbar danach, über 500 Patienten verstorben.  150 der Versorbenen wurden bereits exhumiert, viele sind jedoch auch eingeächert. Bei Patienten, die nicht sofort an dem gespritzten Herzmittel gestorben sind, ist der Wirkstoff im Labor nicht mehr nachweisbar.  Der Fall hat derartige Dimensionen angenommen, dass von der größte Mordserie der Nachkriegszeit in Deutschland gesprochen wird.  Lesen Sie die Chronik eines unglaublichen Ermittlungsskandals.

Die vielen Morde waren auch deshalb möglich, weil wichtige  Sicherheitsmaßnahmen fehlten, nicht nur in genannten Kliniken.  Aufgeschreckt von diesem Skandal, wurden  2016 Richtlinien zum Patientenschutz entwickelt, die nun verbindlich in allen Kliniken eingeführt werden sollen.  An dieser Stelle sei nochmals an den Risikobereich Nachtdienst hingewiesen. In deutschen Pflegeheimen ist eine Pflegerin, ein Pfleger  mit  durchschnittlich 50 hilfeabhängigen, alten Menschen alleine gelassen. Niemand bekommt mit, wenn diese Nachtwache, statt sich um die Bewohner zu kümmern, vor dem Fernseher sitzt oder schläft. Störenden  Bewohnern könnte sie die Klingel wegnehmen, Fixiergurte anlegen und Medikamente geben, damit sie ihre Ruhe hat. Vor Schichtende läuft sie dann rasch durch die Zimmer und richtet alles so her, dass nichts auffällt.  Solche Nachtwachen lieben die Alleinwache und erklären, dass diese völlig ausreicht.  Alleine das stellt in meinen Augen ein Verdachtsmoment dar.  Darauf müsste die Pflegedienstleitung reagieren.
Sie müsste auch reagieren, wenn der Frühdienst Auffälligkeiten meldet, wie: Wenn Schw.W Nachtdienst hatte, dann sind die Betten nass, Bewohner verstört, verschlafen, wundgelegen oder anderes.  Stattdessen jedoch versuchen gerade Leitungskräfte jeden Verdacht dieser Art zu vertuschen. Denn nichts fürchten Heimbetreiber und Klinikleitungen mehr, als negative Schlagzeilen in der Presse.  Wer gibt seinen Angehörigen schon in ein Heim/Krankenhaus, in dem Bewohner/Patienten misshandelt oder unter seltsamen Umständen zu Tode kommen?   Auch mit Blick auf mögliche Schadensersatzforderungen, werden Heim- wie Klinikleitungen stets bemüht sein, jeden Verdacht so lange als irgend möglich unter dem Deckmantel des Verschweigenheitsgebotes zu halten. Mit den passenden Rechtsanwälten gelingt dies in der Regel auch.

Da nur ganz wenige Zeugen von Gewalthandlungen die Stärke haben, diese zu melden, kann man davon ausgehen, dass die ans Licht gelangenden Gewalttaten  die sprichwörtliche  Spitze eines Eisberges sind. Jedoch selbst wenn ein Fall angezeigt wird, und wenn es ernsthafte Ermittlungen gibt, wie wir sie  im Fall  Anna P erlebt haben, fehlt es den Ermittlern und Staatsanwälten am nötigen Sachverstand beziehungsweise  Insiderwissen, um die richtigen Fragen stellen und folgerichtige Schlüsse aus den Angaben ziehen zu können.

Solange die Verantwortlichen in Kliniken und Heimen mit ihren Vertuschungungsstrategien durchkommen, werden diese weiterhin vor allem dort sparen, wo die schädlichen Folgen am wenigsten auffallen. Das sind die wehrlosesten unter den Kranken und Pflegebedürftigen, Intensivpatienten, Menschen die sich nicht mitteilen können oder denen nicht geglaubt werden muss. Darum fordert die Pflegeethik Initiative  die Einrichtung von  Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Sonderermittlern, am besten auf Bundesebene. Es braucht Staatsanwälte und Polizisten  die sich auf die Bereiche  Medizin-Pflege sowie rechtliche Betreuung spezialisieren.   Alle drei Bereiche bilden ein System, das den Eigenschutz über den der Schutzbedürftigen stellt.

Wo Gewalt in der Pflege beginnt.  So der Titel eines Beitrags von Ruppert Mayr, der am 19. September 2017 in der RheinZeitung – Tages-Thema war.  Darin bezieht sich der Autor neben aktuellen Fällen auf eine kürzlich veröffentlichte Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP), die ebenfalls von einer hohen Dunkelziffer ausgeht. Die Daten stammen aus Befragungen der Pflegekräfte. In der Konsequenz fordert der Chef des ZQP größere Transparenz und verbindliche Konzepte für die Dokumentation und den Umgang mit Fehlern in den Einrichtungen.   In 28 Prozent der Einrichtungen erscheinen Gewaltvorfälle erst gar nicht im Fehlerberichtssystem. Und 20 Prozent der Befragten hätten angegeben, dass der Umgang mit Aggressionen und Gewalt kein Thema des Qualitätsmanagements sei.   Auf der Themenseite des ZQP finden Sie weitere Hintergrundinformationen sowie Empfehlungen zur Gewaltprävention.

Als Fachfrau für Qualitätsstandards,  die von 1985-2005 beratend in  Pflegeheimen deutschlandweit unterwegs war, könnte ich an dieser Stelle  die passenden Standards und Qualitätsempfehlungen einfügen.  Gewalt in der Pflege ist ja schließlich kein neues Problemfeld, sondern eines, das mit jedem neuen Skandal für kurze Zeit wieder in den Focus gerät, bevor es unter dem alten Denkmantel erneut verschwinden kann.

Allerdings zeigen die jüngsten Fälle eine neue Dimension der Verrohung. Die Lage spitzt sich merklich zu. Während ich diesen Beitrag verfasse, ruft eine verzweifelte Pflegekraft aus einem privaten Heim in Sachsen an. Sie will zunächst wissen, ob ich ihr ausrechnen kann, wieviel Personal das Heim haben müsste.  Als ich dies verneine, fragt sie, was sie denn machen soll. Sie und andere Kollegen hätten jetzt schon 18 Tage am Stück Dienst. Sie selbst habe bereits 200 Überstunden, andere sogar noch mehr.  In ihrem Wohnbereich, mit 39 Plätzen, wären sie momentan immer nur zu zweit in jeder Schicht. Gerade eben habe sie eine Krankmeldung von einer Mitarbeiterin bekommen, die dritte in diesem Monat. Die Heimleitung würde immer nur vertrösten. Ich habe ihr erklärt, dass sie nicht nur – um sich selbst vor dem Kollaps zu schützen – Forderungen stellen muss und die Heimaufsicht  einschalten sollte,  sondern auch weil sie als Fachkraft die Verantwortung für die Bewohner trägt.  Diese Pflegerin  wirkte derart verzweifelt, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass sie dazu im Stande ist.

Heimbetreiber, die nicht von sich aus alles in Bewegung setzen, um den Notstand zu überwinden, sondern die Mitarbeiter mit leeren Versprechungen hinzuhalten versuchen, verraten alleine durch diese Haltung, dass sie für diese Aufgabe nicht geeignet sind.

Es fehlt jedoch nicht nur an geeigneten, starken Heimleitern und Führungskräften, auch die Aufsicht ist schwach. Wer als Mitarbeiter oder Angehöriger  Zeuge von Gewalthandlungen wurde und sich an die Heimaufsicht wendet, weil die Heimleitung nichts dagegen unternimmt,  muss sogar damit rechnen, dass ihm gekündigt oder Hausverbot erteilt wird.  Gleiches kann zum  MDK gesagt werde. Die Kontrollen haben meist nur Alibifunktion.  Selbst wenn den Kontrolleuren  Dinge auffallen,  die beanstandet werden müssten, können sie dem Heim nur anraten, die Mängel abzustellen.  Die Verhängung eines Aufnahmestopp ist die schlimmste Strafe, die ein Heimbetreiber  zu  befürchten hat.  Bevor das passiert muss die Einrichtung jedoch schon in der Lokalpresse vorgeführt worden sein.

Der Kreis des Wegschauens  geht noch weiter.  Mir liegen   Berichte von unvorstellbar grausamen Gewaltakten gegenüber  Pflegebedürftigen vor,  mit denen sich  unsere Justiz nicht beschäftigen will. Strafanzeigen laufen regelmäßig ins Leere. Anstatt eigene Ermittlungen zu veranlassen, übernehmen Staatsanwaltschaften die Behauptungen der Beschuldigten, die natürlich alles abstreiten und ihrerseits den Kläger in ein schlechtes Licht zu stellen versuchen.  Oder sie schicken die Heimaufsicht in der Einrichtung vorbei, die ebenfalls aus eigenem Interesse den Ball flach zu halten versucht.    Ohne Presse, ohne öffentliche Entrüstung, wurde meines Wissens noch kein einziges Gewaltdelikt in der Pflege juristisch ernsthaft verfolgt.

Regelmäßig schauen auch Betreuungsgerichte und Richter weg. Mehr noch, anstatt den Heimbetreiber zu ermahnen für einen gewaltfreien Umgang mit unruhigen Bewohnern zu sorgen, genehmigen Richter Fixierungen.  Zwar hat sich die Zahl gerichtlich genehmigter Fixierungen dank ReduFix, Werdenfelser-Weg und unserer Bemühungen in den letzten Jahren etwa halbiert, aber 60.000 Fixierungen (2015) sind es immer noch.  Die nicht genehmigten Fixierungen, dürften um ein vielfaches höher sein.  Schließlich ist man hier auch erfinderisch, wie am Beispiel der sog. Pflegeoveralls gezeigt werden konnte.  Die Pflegeindustrie sucht hier gemeinsam mit Pflegeanbietern nach Lösungen, die ohne Gerichtsbeschluss gehandhabt werden können.  Und in allen Fällen ist die Argumentation, dass eine menschliche Begleitung und Beaufsichtigung unter den personellen Gegebenheiten nicht gewährleistet werden könne.

Überforderung und Langeweile als Motiv für Gewalt

Dass eine  Pflegekraft, die sich überfordert und unter Druck gesetzt fühlt, die Beherrschung verlieren kann, ist zumindest verständlich.   Da Unterbesetzung jedoch ein Normalzustand ist, in fast allen Pflegebereichen, gehören verbale und andere Entgleisungen zum Pflegealltag. Sie sind genauso selbstverständlich wie der Griff in den Medikamentenschrank – damit Frau X endlich Ruhe gibt.  Das ist normaler Pflegealltag und  wird höchstens von besorgten Angehörigen als Gewalt und Körperverletzung wahrgenommen.  Wenn ein gesunder, junger Mensch mittels KO-Tropfen gefügig gemacht wird, ist die Empörung groß. Hier sind sich Ärzte, Staatsanwälte und Richter einig, weshalb die Täter, wenn sie denn gefasst werden, mit einer Strafe rechnen müssen.  Wird ein kranker, alter Mensch mittels Haldol-Tropfen oder ähnlichem seiner Sinne beraubt,  fehlt hingegen  jedes Unrechtsbewusstsein.

Und so liegen sie denn da, die neuroleptisch entstellten und zur Ruhe gezwungen Alten, mit denen man kein vernünftiges Wort mehr sprechen kann.  Sinnloses Zeug vor sich hin brabbelnd, Grimassen schneidend, seibernd und stinkend. „Mutti sieht wie ein Zombi aus. Völlig entstellt und verändert in ihrem Verhalten, seit sie diese Mittel bekommt“, schreibt eine Tochter.  „Mein Vater war nie aggressiv, er verhält sich erst so, seit er ….“, berichtet ein Sohn.  „Um die Gesundheitsvorsorge kümmert sich jetzt eine Berufsbetreuerin. Ich muss sogar aufpassen, dass das Gericht mir nicht auch noch die gesamte Vorsorgevollmacht wegnimmt, wenn ich mich weiterhin dafür einsetze, dass Hanne weniger von diesen Neuroleptika bekommt.“, höre ich ihre Schwester klagen.  Wir sind in all diesen Fällen leider auch machtlos. Müssen mit ansehen, wie hier Menschen mit chemischen Keulen niedergemacht werden.  Und wenn sie dann  entstellt, ja entwürdigt, daliegen, sind sie willfährige  Opfer von Pflegekräften, über die sich die Nation aktuell aufregt.

Langeweile kommt immer dann auf, wenn ich meine Zeit mit Arbeit verbringen muss, die mich anödet.   „Diese jammrigen, stumpfsinnigen, vollbepissten Alten – wie mich das anwidert.“,  gestand einer – der die Nase vom Pflegeberuf gestrichen voll hatte und sich eine andere Beschäftigung suchte.

Pflege ist eben kein Beruf wie jeder andere. Wer nicht die richtige Einstellung mitbringt, wer keine Empathie hat und sich nicht hineinversetzen kann in die Lage eines Pflegebedürftigen, der wird sich früher oder später über deren  Bedürfnisse hinwegsetzen und Gewalt anwenden, jeden Tag, bei jedem Handgriff.   Und je gröber er „die verpissten Omis und Opas“ abfertigt, desto größer die Unzufriedenheit die ihm entgegenschlägt.  Wer kann beispielsweise der halbseitig gelähmten Bewohnerin, mit Schluck- und Sprachstörungen, verdenken, wenn sie der Pflegerin den Löffel aus der Hand schlägt, wenn diese nicht merkt, dass sie so schnell gar nicht schlucken kann, wie sie ihr das Essen einzutrichtern versucht?  Wie soll sie sich denn sonst wehren? Die Pflegerin wird ihren Kollegen dann berichten, dass Frau X aggressiv ist.  „Bew. hat Pflegekraft geschlagen“, steht das anschließend dann sogar im Pflegebericht.“  Nur als kleines Beispiel für die von unsensiblen Pflegekräften häufig ins Feld geführten -Gewalttätigkeiten die sie von Bewohnern einstecken mussten.  Unsensibles, respektloses Verhalten seitens der Pflegenden, erzeugt negative Stimmung bei den Pflegebedürftigen, bis hin zur Aggression.  Vor diesem Hintergrund schaukeln sich Situationen hoch.  Jedoch, anstatt  hier präventiv anzusetzen, schon bei der Einstellung neuer Mitarbeiter oder der Beurteilung von Auszubildenden, bevorzugen Heim- und Pflegedienstleitung  eher die anpackenden – unsensiblen Mitarbeiter. Solche, die es schaffen mehr Pflegebedürftige in kurzer Zeit abzufertigen, als Kollegen, die sich auf jeden Bewohner einzustellen versuchen.

Mit dem Verständnis wie Altenpflegeheime heute – von wenigen Ausnahmen abgesehen –  geführt werden, tun sie jedem Gewalt an.  Ein schlecht geführtes Heim gleicht einer Sammelstelle von Leid und Elend.  Die gebrechlichen Alten werden ausgelagert und der Obhut  fremder Menschen ausgeliefert, die sich überfordert fühlen, abgestumpft sind oder diesen Beruf hauptsächlich wegen des „gesicherten Einkommens“ gewählt haben.   So leiden die Alten unter der Herrschaft der Jungen und die Jungen unter der Arbeit die sie mit den Alten haben.  Im Grunde ist dieser Zustand eine Zumutung – eine Gewaltakt an sich.


Für eine Pflege die niemandem Gewalt antut!

Pflegeethik-Initiative Deutschland e.V.

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