Unmenschliche Pflegepersonalpolitik

Die Personalschlüssel in Einrichtungen der stationären Altenhilfe orientieren sich nicht am tatsächlichen Bedarf, sondern an willkürlich bestimmten Anhaltszahlen, die noch auf die Zeit vor der Einführung der Pflegeversicherung zurückgehen. In der Praxis bedeutet dies, dass im Schnitt eine Pflegeperson 12,5 Bewohner im Tagdienst zu versorgen hat. Nachts muss sich eine Pflegekraft nicht selten sogar um mehr als 60, größtenteils verwirrte, Menschen kümmern. Die von der Politik und den Kostenträgern vorgegebenen Rahmenbedingungen führen bundesweit zur chronischen Überlastung des Pflege- und Betreuungspersonals. Laut DAK Gesundheitsreport 2012 gehörten die Pflegeberufe erneut zu den Branchen mit höchsten Krankenständen, steigende Ausfallzeiten durch psychische Erkrankungen sowie Muskel- und Skeletterkrankungen, die nicht selten in dauerhafter Erwerbsunfähigkeit enden. Die Verweildauer von Pflegefachkräften in ihrem Beruf, ist kaum länger als ihre Ausbildungszeit. Viele flüchten nach wenigen Jahren ganz aus dem Beruf oder gehen auf Teilzeit. Wir sehen den Fachkräftemangel in der Pflege in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der kalkulierten Unterbesetzung in den Einrichtungen. Jedoch die eigentlich leidtragenden sind die Pflegebedürftigen. So werden in Deutschland  schätzungsweise 400.000 Menschen in Heimen fixiert, weil die Pflegekräfte nicht wissen, wie sie bei der geringen Besetzung sonst deren Sicherheit gewährleisten können. Dennoch kommt es häufig zu Stürzen und Verletzungen. Etwa jeder dritte Demenzkranke bekommt Neuroleptika zur Ruhigstellung, obwohl die Nebenwirkungen und das Risiko eines frühen Todes bekannt sind, heißt es im jüngsten Arzneimittelbericht der Barmer. Gäbe es eine bessere Pflege, könnte die Arzneigabe um bis zu 30 Prozent verringert werden. Es handelt sich um eine „Entwicklung, die mit einer Menschenwürde und einer vernünftigen Patientenversorgung nicht in Verbindung zu bringen ist“, kommentiert Glaeske, Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung, diesen Bericht.

Warum ist das so?  Wer hat das (mit) zu verantworten? Wonach werden die Stellenschlüssel berechnet? Und wie könnte die Alternative aussehen.

Anlässlich der am 11. März 2013 in einer öffentlichen Sitzung des Bundestages verhandelten Petition von Annett Kleischmantat,hat der Pflege-SHV diese Eingabe an die Politik verfasst.

Positionspapier des Pflege-SHV zum personalschluessel_altenheim_032013_

CAREkonkret erklärt den Alternativansatz des Pflege-SHV  zum Thema der Woche, Ausgabe 42, Oktober 2013

Hinweis auf unser Thema des Jahres 2014:  Nachtdienst im Altenheim

 

 

 

 

4 Kommentare

  1. Caritas Heim Worms-Abenheim (gemischt Altenheim und Demenzerkrankte). Eines von 3 Caritasheimen in Worms, neu eröffnet Januar 2017 ursprünglich gute Personalausstattung,
    aber seither ständig Personalabzug in die beiden anderen Wormser Heime, Personal“löcher“stopfen und ständig abnehmendes Qualitätsniveau, Betreuung durch 2 Nonnen aus Indien die sich außerordentlich bemühen aber überfordert sind. Bei Stürzen von Insassen gibt es Probleme, Hilfspersonal zu alarmieren, auf Rufen erfolgt keine Reaktion, da Hilfspersonal auf 3 Stockwerke verteilt ist!

  2. Kommentar zu Artikel der Süddeutschen Zeitung
    ‚Pflegenotstand verletzt systematisch das Grundgesetz‘

    Bereits im Juli 2013 hatte ich meine Sicht zum Pflegenotstand einerseits und der Untätigkeit der Politik – quer durch alle Parteien – in meiner ‚Ode an die Sedierung‘ zusammengefasst. Infolge der überwiegenden Reglosigkeit – und damit bekundetem Einverständnis der Politik zur Situation im Pflegebereich – so auch nach wie vor – gehe ich von dem Bestand eines gewissen Konsens aus, wie ich diese Sicht zum Ende meiner ‚Ode…‘ zum Ausdruk gebracht habe. Diese ‚Ode…‘ ist unter diesem Titel zu googlen. Siehe auch meinen Beitrag im Report ‚Rechtlos und ausgeliefert? Schicksal Demenz‘ von Silvia Matthies, Jurnalistin des BR. Dieser Report ist abrufbar unter diesem Titel bei ARD Mediathek; wird nochmals gesendet am 08.12.2013 bei Phoenix. Meine ‚Nachlese‘ hierzu ist abrufbar bei ‚buergerredaktion.de‘. Die eigenen Erfahrungen, die tausendfache Berichte über unhaltbare Missstände u. a. Pflegebereich sowie zumindest meine Sicht dazu, werden ja gerade von Frau Susanne Moritz dahingehend bestätigt, dass hier eine entsprechende Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg haben würde. Aus meiner Sicht handelt es sich hier tatsächlich um unterlassene Hilfeleistung gegenüber hilflosen alten Menschen, die bereits in die System bedingte Drangsal geraten sind; von den psychisch belasteten Pflegekräften ganz zu schweigen. Leider fehlt mir die Zeit eine solche Beschwerde zu formulieren, aufgrund der Folgen, wie diese in meinem Beitrag zum o. a. Report  ersichtlich sind. Außerdem würde man mir als Beschwerde führende Einzelperson wahrscheinlich gar kein Gehör schenken. Aber da das Mass nun wohl bereits übervoll ist, werde ich mich um eine Kooperation bemühen, eine solche Beschwerde zu initiieren; soweit nicht bereits anderweitig Akteure in dieser Hinsicht aktiv geworden sind.

  3. Das wirklich Fatale an dieser Thematik, die im übrigen sehr dezidiert unter dem oben angegebenen Link „Personalschluessel_Altenheim_032013“ dargestellt ist (wirklich lesenswert!) – ist die Tatsache, dass es sehr unterschiedliche Stellenschlüssel in den einzelnen Bundesländern gibt und die Kostenträger vor dem Hintergrund der durchgängig guten Noten des sog. Pflege-TÜV daraus den Schluss ziehen, dass auch die schlechtesten Stellenschlüssel eine gute Pflege ermöglichen. Insider wissen aber ganz genau, dass die ach so hervorragenden Pflegenoten nicht im Entferntesten die Realität widerspiegeln (ich bin solch ein Insider und weiß, wovon ich rede) und selbst die bundesweit besten Pflegeschlüssel nicht ausreichend sind. So sieht leider weder die Kostenträgerseite noch die Politik eine Handlungsnotwendigkeit und der Förderalismus treibt weiter seine Blüten. Die Pflegenoten sind insofern ein Hindernis in dem Bemühen um eine Veränderung bei den Pflegeschlüsseln, weil hierdurch das Problem kaschiert wird. (Kommentar in Klammern: was sicher sowohl den Kostenträgern als auch der Politik recht ist – denn wenn es anders wäre, ergäbe sich ja Handlungsbedarf). Aus diesem Dilemma ist daher m. E. nur schwer heraus zu kommen. Eigentlich müsste „Pflege“ jeden Tag laut aufschreien und die Missstände beklagen. Aber wie bekommt man die Pflege nur mobilisiert?

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