„Pflege-Perlen“ aus Osteuropa nur noch für Reiche und auf dem Schwarzmarkt

Foto: SenioCare24: https://www.seniocare24.de/betreut/betreuung-senioren-stundenweise-seniorenbetreuung/

Das deutsche Pflegesystem wäre längst kollabiert, würde es nicht toleriert, dass ungezählte ausländische Helferinnen, Pflegebedürftige im eigenen Zuhause unterstützen. Sie kommen aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Tschechien etc., nehmen monatelange Trennungen und anderes in Kauf, um mit dem Lohn die eigene Familie unterstützen zu können. Längst nicht jeder Bedürftige kann sich eine „Pflege-Perle“ leisten, die für vergleichsweise wenig Geld Tag und Nacht bereit steht. Für einen Appel und Ei ist schon lange keine dieser Frauen, selten sind es Männer, zu haben. Selbst auf dem Schwarzmarkt, über den geschätzt 70-80 Prozent der Frauen vermittelt werden, müssen um die 1.200 Euro/monatlich gezahlt werden. Wer das Risiko der Schwarzbeschäftigung nicht eingehen will und über die nötigen Mittel verfügt, wendet sich an eine Agentur, die sicherstellt, dass die vermittelten Helferinnen, sozialversichert und gemeldet sind. Zudem besteht die Möglichkeit, diese Frauen als Haushaltshilfe anzustellen.

Aktuell sorgt ein BAG-Urteil für große Aufregung in der Branche und bei Betroffenen. Demnach steht zu befürchten, dass für legale 24-Stunden-Hilfe nicht nur der bisher geltende Mindestlohn von 9,35 € pro Stunde für vereinbarte Arbeitszeit gezahlt werden muss, sondern auch für Bereitschaftszeiten, genauer für 21 Stunden pro Tag, an 7 Tagen in der Woche. Bisher kostet eine über eine Agentur vermittelte 24-Stunden-Hilfe im Schnitt 2.300 €. Sollte das Urteil zur künftigen Meßlatte werden, beliefen sich die reinen Lohnkosten auf wenigstens 6.000 € im Monat, zuzüglich Sozialabgaben und sonstiger Gebühren. Insgesamt wird man mit mehr als 10.000 Euro rechnen müssen, die privat aufzubringen sind. Aufwendungen zur Sicherstellung der Pflege, an der sich bisher weder Pflegekasse noch Sozialkasse beteiligen.

Wie viele Haushalte können sich dann noch eine legal beschäftigte 24-Stunden-Hilfe leisten?

Über welche Zahlen sprechen wir?
Von den derzeit 4,1 Millionen Bundesbürger*innen mit anerkanntem Pflegebedarf, können sich rund 2,5 Millionen glücklich schätzen, Angehörige zu haben, die ihnen zur Seite stehen. In der Mehrzahl der Fälle übernimmt eine bestimmte Angehörige die rund-um-die-Uhr Betreuung, ohne fremde Hilfe. Ambulante Pflegedienste übernehmen in etwa 600.000 Fällen Teilaufgaben, die über Sachleistung mit der Kasse abgerechnet werden. Senioren und Familien, die es sich leisten können, beschäftigen eine 24-Stunden-Hilfe. Geschätzt betrifft dies etwa jeden fünften Pflegehaushalt, umgerechnet wären das 800.000 Fälle. 800.000 alte Menschen, Pflegebedürftige die dank der Helfer*innen aus dem Ausland, in ihrer gewohnten Häuslichkeit bleiben können. Nicht immer gelingt dies über die gesamte Pflegezeit bis zum Tod, aber doch oft über viele Monate oder gar Jahre. Die allermeisten, geschätzt zwischen 70-90 Prozent dieser Helfer*innen, gelangen über private Empfehlung an die Familie. Sie sind selten gemeldet oder versichert. Nur etwa 20-30 Prozent werden über Agenturen vermittelt und mehr oder weniger legal beschäftigt. Eine genauere Erfassung dieses wichtigen und im Grunde unverzichtbaren Angebotes zur Vermeidung von stationärer Pflege, ist bis heute nicht gelungen, weshalb die Schätzzahlen in diversen Veröffentlichungen erheblich schwanken. Auch im jährlich herausgegebenen Pflege-Report, finden die privat Beschäftigten in Pflegehaushalten keine Erwähnung.

Gesundheitsminister begrüßt das Urteil, obwohl es die Lage verschärft.

Neben Verdi und den üblichen Rädelsführern in der deutschen Pflegelandschaft, begrüßte auch Jens Spahn besagtes Urteil. Was er jedoch offenbar nicht sieht, sind die negativen Auswirkungen. Dabei kann sich doch jeder an fünf Fingern ausrechnen, dass sich bei einer derart drastischen Preiserhöhung, nur noch entsprechend betuchte alte Herrschaften, auf legalem Wege 24-Stunde-Hilfe leisten können. Über den Schwarzmarkt redet man besser nicht. Aus menschlicher Sicht muss dieser geduldet werden. Denn im deutschen Pflegesystem ist keine Alternative vorgesehen. Die deutsche Pflegepolitik setzt auf Auslagerung in die Heime. Sie sichert Existenz und Wohlstand von Investoren und unterstützt die Interessen der Heimbetreiberlobby.

Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass sich die Pflegepolitik nicht an den Bedürfnissen und Wünschen der Bürger orientiert, so wird er hier geliefert.

Umfragen bestätigen, dass fast alle Bundesbürger ihre letzte Lebenszeit zu Hause und nicht in einem Heim verbringen wollen. Die Erfahrungen in der Corona-Zeit haben die Angst vor dem Heim und die Ablehnung deutlich verstärkt. „Gott bewahre mich vor dem Ende in einem Heim, denn der Staat tut es leider nicht.“, schrieb eine Angehörige.

Das deutsche Pflegesystem sieht keine Alternativen zum Heim vor, sondern setzt auf die hohe Bereitschaft von Angehörigen, die Pflege gegen eine geringe finanzielle Anerkennung (Pflegegeld) zu übernehmen.

Es ist zuviel Geld im System, das nicht bei den Pflegebetroffenen ankommt.

Zum vorgeblichen Schutz der Alten und Pflegebedürftigen vor dem Corona-Virus war dem Gesundheitsminister nichts zu teuer. Was hier an Geld in die Hand genommen wurde, ist gigantisch. Jedenfalls gemessen an der Sparpolitik der letzten Jahrzehnte. Milliarden wurden mit Eimern und Gießkannen verschüttet und dies, ohne auch nur an einer einzigen Stelle darauf zu achten, ob die Mittel tatsächlich denen zu Nutze kommen, für die sie gedacht waren. Die Effizienz oder Evidenz der finanzierten Schutzmaßnahmen interessiert die Regierenden bis heute nicht. Als habe sich dem Gesundheitsminister plötzlich eine Goldquelle aufgetan. Selbst der Gesundheitsminister, Landesminister sowie etliche Bundestagsabgeordnete, haben sich unter den Geldregen gestellt und beispielsweise an den Bergen von Masken kräftig mitverdient. Ohne Maß und Ziel wurden Maskenvorräte für Jahre angehäuft. Vermutlich der Hauptgrund, weshalb Deutschland weiterhin an der Maskenpflicht festhält. Gesundheitsförderlich sind diese jedenfalls nicht. Auch Apotheken, Ärzten und Kliniken wurde es leicht gemacht, Gewinne aus der Krise zu ziehen. Man denke nur an die Masken, die den Apotheken für 1 Euro verkauft und von diesen für 3 Euro (Kassenleistung) an Senioren abgegeben wurden. Oder an die Pauschalen, die für leerstehende Betten gezahlt werden.

Auch vor Corona war bereits sehr viel Geld im System, alleine daran ersichtlich, dass der Pflegemarkt boomt und viele Investoren aus dem Ausland lockt, weil es diesen sehr leicht gemacht wird, Gewinne aus der Not Pflegebetroffener zu erzielen. Hingegen müssen pflegende Angehörigen oft hohe Hürden nehmen, um zum Beispiel ein sinnvolles Pflegehilfsmittel zur Erleichterung des Transfers genehmigt zu bekommen. Angehörige, die den größten Teil der Pflegearbeit übernehmen, erhalten je nach Pflegegrad zwischen 300 und 900 Euro Pflegegeld. Aber nur dann, wenn sie tatsächlich die gesamte Pflegearbeit übernehmen und auf „Sachleistung“ durch einen Pflegedienst vollständig verzichten. Kommt auch nur eine Stunde täglich ein Pflegedienst zum Einsatz, bleibt für den pflegenden Angehörigen, der 23 Stunden täglich auf Abruf steht, nichts mehr übrig.

Angehörige, die sich vor Augen führen, wie viel eine angestellte 24-Stunden-Kraft laut des o.g. Urteils demnächst verdienen kann, und wie viel dem Staat die rund-um-die-Uhr Sorge durch Angehörige Wert ist, sehen sich jetzt noch mehr ausgenutzt als vorher. Selbst hochqualifizierte Pflegefachkräfte in Leitungsfunktionen, reiben sich die Augen, angesichts der Summen, die ungelernte Hilfskräfte in deutschen Pflegehaushalten demnächst verdienen können. Nach meiner überschlägigen Berechnung verdient die „Olga aus Polen“ dann mit 6.500 Euro Brutto doppelt so viel wie ein Durchschnittsbürger. In einzelnen Fällen ist das sicher schwer verdientes Geld, vor allem bei unruhigen Menschen mit Demenz, die nachts herumlaufen. Aber mit dieser Belastung sehen sich pflegende Angehörige auch konfrontiert. Viele Hilfebedürftige sind jedoch so pflegeleicht, dass die tatsächliche Arbeitszeit unter 4 Stunden liegt und die Nachtruhe sowie freie Tage regelmäßig gewährt sind. Im eigenen Bekanntenkreis kenne ich Frauen, die hauptsächlich unter der Langeweile gelitten haben in den vielen Stunden des Leerlaufs. Manche suchen sich sogar Beschäftigungen in dem sie jede Woche alle Fenster putzen. Wie in der Pflege allgemein ist jeder Fall und jeder Bedarf anders. Weshalb es keinen Sinn machen würde, besagtes Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Maßstab für jedes 24-Stunden-Beschäftigungsverhältnis zu erklären. Auch sollte dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen werden.

Die legale Beschäftigung von 24-Stunden-Kräften muss bezahlbar sein, zumal sie momentan für sehr viele Pflegebedürftige die einzige Alternative zum Pflegeheim ist.

Das deutsche Pflegesystem bedarf einer grundlegenden Reform!

Ziel der künftigen Pflegepolitik müsste die Sicherstellung einer Qualität sein, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen ausrichtet. Unsere alten Bundesbürger*innen wollen nicht abgeschoben werden in Heime. Schon gar nicht, nachdem wir erfahren mussten, wie während der Corona-Zeit aus offenen Häusern Gefangenenlager wurde. Viele Angehörige haben hier angerufen, weil sie nach einem Weg suchten, die Mutter oder, oder… aus dem Heim (Gefängnis) zu holen und die Pflege zu Hause sicher zu stellen. Wir sollten uns verstärkt dafür einsetzen, dass niemand ins Heim muss, weil das in Deutschland die einfachste und kostengünstige Lösung ist.

Hier könnten wir einiges von den Frauen aus Polen, Bulgarien etc. lernen. Fragt man diese nach dem Umgang mit den Alten in ihrem eigenen Land, kommt regelmäßig die Antwort. Selbstverständlich kümmert sich die Familie. Wie sich Mütter um ihre Kinder und Großeltern um ihre Enkel kümmern, werden die Alten in der Familie versorgt. Es gibt kaum Heime, auch weil diese für den Durchschnittsverdiener viel zu teuer sind. Die Familien bilden das Zentrum der Gesellschaft, in denen von der Geburt bis zum Tod jeder für den anderen einsteht. Ein menschlich gesehen gesünderes System, das ohne Bürokratie funktioniert und nicht einen Bruchteil der Kosten verursacht, als das deutsche.

So hilfreich und unverzichtbar die Hilfe aus Osteuropa über Jahrzehnte war und aktuell immer noch ist, sie wird schon deshalb nicht von Dauer sein, weil die Einkommen in den Ländern steigen und damit auch die Forderungen der Frauen, nach höheren Löhnen für ihre Dienstleistung in Deutschland. Die Klage der Bulgarin, auf die sich das BAG-Urteil bezieht, könnte das Ende einläuten. Im Grunde hat sich diese Frau keinen Gefallen getan, es sei denn, sie ist so toll und findet solvente Kunden in Deutschland, die den hohen Preis zahlen.
Lesen Sie im Folgenden einen Bericht der Passauer-Presse, der die Erfahrung von Claus Fussek einbezieht und über die deutlich bessere Regelung der in Österreich  informiert:  Artikel zur 24-std.-pflege-passauer-presse

Erfreulich an besagtem Urteil  ist aus meiner Sicht alleine, dass es die Notwendigkeit, nach Alternativen zu suchen, verstärkt. Wenngleich dieser Weckruf,  der der Presse einige Beiträge wert war, bereits nächste Woche wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden sein dürfte.

Die Pflegeethik Initiative Deutschland e.V. fordert seit Jahren  einen grundlegenden  Systemwechsel in der Pflege  und  beschreibt, wie dieser Aussehen müsste und bewerkstelligt werden  könnte. 


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