Mit großer Sorge verfolgen vor allem Bürger ländlicher Regionen „Das große Kliniksterben in Deutschland„. So der Titel eines von vielen Beiträgen, mit denen in 2023 der zahlreichen Krankenhäusern gedacht wurde, die ihre Pforten schließen
Der Personalnotstand ist die Folge der marktwirtschaftlichen Ausrichtung des gesamten Gesundheitswesens.
Bezogen auf die Krankenhäuser, werden seit Einführung der Fallpauschalen wirtschaftliche Interessen über das Wohl der Patienten gestellt. Ein Filmprojekt Der marktgerechte Patient hat sich nun dieses Themas angenommen und zeigt in sehr eindrücklicher Weise, wie ungesund Krankenhäuser für Patienten und Personal geworden sind. Kliniken versuchen Personal durch Technik zu ersetzen, fordern Effizienz und verlangen von Menschen wie Maschinen zu funktionieren. Massenabfertigung von immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit, unnötige Operationen, weil es dafür mehr Geld gibt. Der Patient ist Mittel zum Zweck und der Zweck heiligt die Mittel. Wie im o.s. Film-Trailer beispielhaft gezeigt, werden konservative Wundbehandlungen, etwa bei Gangrän am Fuß, heute in kaum noch einem Krankenhaus durchgeführt. Denn diese zahlen sich für die Klinik nicht aus, Amputationen hingegen schon. Wie der Betroffene anschließend ohne Fuß zurechtkommt, interessiert nicht. Das wird dann zur Angelegenheit der Pflege.
Die negativen Auswirkung des Fallpauschalsystems sind überall sichtbar. Auch der jetzt von der Bertelsmann-Studie festgestellte Bettenüberschuss in Deutschland, hat hier seinen Ursprung.
Vor Einführung dieses Systems konnten ältere Patienten solange stationär behandelt und gepflegt werden, bis sie wieder auf den Beinen waren oder ihre Pflege zu Hause sichergestellt war. Zu meiner aktiven Zeit im Krankenhaus, musste kein Patient befürchten, dass sein Fuß kurzerhand amputiert wird, weil konservative Wundheilung eine wochenlange stationäre Behandlung erfordert. Sowohl auf der Chirurgie als auch Inneren Abteilung, waren wenigstens ein Drittel der Betten mit Langzeitpatienten belegt. Das hatte auch Vorteile fürs Personal. Nach ein paar Tagen frei, traf man viele bekannte Patienten an und brauchte sich nicht 20 neue Namen und Krankenberichte zu merken, sondern vielleicht 8 oder 10. Derzeit sind Pflegekräfte größtenteils mit der Abwicklung von Neuaufnahmen und Entlassungen befasst und müssen achtgeben, die Namen der Patienten nicht zu verwechseln, weil sie diese persönlich gar nicht kennenlernen konnten.
Heute wird dem älteren Patienten oder dessen Angehörigen schon bei der Aufnahme eine Liste mit Pflegeheimen in die Hand gedrückt. Denn die Zeit nach der stationären Behandlung reicht fast nie, um den Patienten soweit zu stabilisieren, dass er nach Hause entlassen werden kann. So landen die meisten über 80ig jährigen Krankenhauspatienten anschließend in einem Pflegeheim, in dem sie die Restzeit ihres Lebens zubringen müssen.
Der Grundsatz „Reha vor Pflege“ existiert nur auf dem Papier (SGB XI).
Denn Krankenhäuser können ihre Patienten nicht einmal so lange stationär behalten, wie es dauert, bis ein Reha-Antrag von der Kasse bearbeitet ist. Bevor eine Rehastelle für einen alten Patienten gefunden ist, hat der bereits einen hohen Pflegegrad erreicht und jede Hoffnung verloren. Außerdem haben durch wochenlanges Herumsitzen und –liegen, die Muskeln und oft auch der Kopf stark abgebaut, weshalb ein Reha-Erfolg eher unwahrscheinlich wird. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich ein Reha-Erfolg finanziell nachteilig auswirkt. Denn je geringer der Pflegegrad – desto weniger zahlt die Kasse. Sowohl Kranken- als auch Pflegeversicherung setzen Anreize in die falsche Richtung.
Seit Einführung des Fallpauschalsystems sind Klinken und Krankenhäuser bestrebt, Patienten möglichst innerhalb oder besser noch vor Ablauf der Pauschalzeit zu entlassen. Betten für Langzeitpatienten sind also weggefallen. Nicht effektive Abteilungen wurden geschlossen. In anderen Bereichen spezialisierte man sich auf Behandlungen, die relativ viel Geld einbringen und regelmäßig nachgefragt werden. Ein absoluter Renner sind die Hüftprothesen. Intensivstationen wurden überall ausgebaut. Dialyseplätze bietet fast jedes Krankenhaus an.
Je Risikoreicher die Behandlung desto lukrativer für die Klinik
Wir haben heute die Situation, dass Krankenhäuser vorzugsweise solche Untersuchungen und Behandlungen anbieten, die das meiste Geld bringen. Häuser die beispielsweise ein Herzkatheterlabor haben, mit entsprechend qualifiziertem Fachpersonal, benötigen eine bestimmte Fallzahl an Patienten. Wer als Patient mit Herzbeschwerden in so eine Klinik geht, muss damit rechnen, dass Ärzte sofort und ausschließlich die dort durchgeführten, invasiven Eingriffe empfehlen. Das bringt der Klinik auf jeden Fall deutlich mehr ein, als konservative Behandlung. In solch einer Klinik auf einen Arzt zu treffen, der psychische Ursachen für Herzbeschwerden überhaupt erwähnt, dürfte unwahrscheinlich sein. Auf diese Weise sorgen Kliniken selbst dafür, dass die OP´s ausgelastet und die Intensivstationen voll sind. Begrenzt wird diese ungute Entwicklung derzeit durch fehlendes Pflegepersonal. Intensivstationen dürfen nur so viele Betten belegen, wie laut des jüngst für diesen Bereich eingeführten Mindestpersonalschlüssels, vorgeschrieben sind. Besonders risikoreiche Eingriffe, wie Herz- oder Lungentransplantationen, die eine längere Intensivbehandlung nach sich ziehen, müssen womöglich sogar ganz ausfallen, weil zu dem Zeitpunkt kein Bett auf der Intensivstation zur Verfügung steht. Wahrscheinlicher erscheint jedoch, dass andere Intensivpatienten verfrüht auf Normalstation verlegt werden, mit dem Risiko plötzlich zu versterben, weil Notfallsituationen dort zu spät bemerkt werden. Werden leitende Klinikärzte vor die Wahl gestellt, einen Eingriff vor zu nehmen der 80.000 Euro einbringt und dafür einen Patienten zu gefährden, dessen Behandlung nur 20.000 einbringt, kann man sich leicht ausrechnen, wie die Entscheidung ausfällt. Wir haben längst doch schon die Situation, dass Patienten viel zu früh entlassen werden, bevor die Nachsorge und Pflege zu Hause gesichert ist. Vor allem alte Menschen geraten nach einem Krankenhausaufenthalt häufig ins Pflegeheim. Die Krankhäuser füllen unsere Pflegeheime, sie produzieren Pflegebedarf.
Tatsächlich ist jedes Krankenhausbett überflüssig, dessen Belegung in erster Linie wirtschaftlichen Interessen dient. Insofern macht die in vorgenannter Studie empfohlene Halbierung der Anzahl, durchaus Sinn. Weniger Krankenhäuser, weniger unnötige Untersuchungen und Behandlungen, weniger Risiko für Patienten, weniger Personalbedarf, weniger Kosten und außerdem weniger Müll.
Aktuell bemühen sich ländliche Regionen verzweifelt darum Hausärzte anzusiedeln. Als nächstes werden wohl lange Fahrtzeiten zum Krankenhaus in Kauf genommen werden müssen.
Statt kleinere Krankenhäuser zu schließen, wäre es sinnvoll den Ausbau von Pflegeheimplätzen zu stoppen und die kleineren Krankenhäuser für eine ganzheitliche Behandlung-/Pflege und Rehabilitation umzufunktionieren.
In einem weiteren Beitrag will ich meine Vorstellung von einem Krankenhauswesen beschreiben, dass sich am Wohl der Patienten orientiert.
Adelheid von Stösser im November 2023
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