Landgericht entscheidet gegen Zwangsimpfung eines Betreuten

Eine Betreuerin wendet sich ans Amtsgericht, weil ihr Betreuter, Harald W., 62 Jahre, der seit vielen Jahren in einer Einrichtung der Lebenshilfe lebt, die Impfung gegen Corona verweigert hatte.  Sie vertritt die Ansicht, dass diese Impfung für ihn (wie für alle Menschen) wichtig ist und  der Betreute geistig nicht in der Lage sei, die Tragweite seiner Entscheidung zu verstehen.  Außerdem sei dieser durch seine Schwester/Mitbetreuerin, beeinflusst, die die Corona-Impfung ebenfalls ablehnt.  Das Amtsgericht wollte daraufhin per Beschluss  die Impfung anordnen. Dagegen hat sich die Schwester/Mitbetreuerin mit einer Beschwerde gewandt, die dem zuständigen  Landgericht  Saarbrücken zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Wortlaut des Beschlusses, gegen den Beschwerde eingereicht wurde:

„ In der Betreuungssache betreffende Harald W. ……., hat das Amtsgericht –Betreuungsgericht- Neunkirchen durch die Richterin M. am 15.03.2021 beschlossen:

Der Meinung der Betreuerin Melanie D., wonach der Betroffene eine Schutzimpfung gegen Covid-19 erhalten soll, wird gefolgt.  Diese ist sodann berechtigt, in die Schutzimpfung nach ärztlicher Anordnung  einzuwilligen.
Die Meinung der Mitbetreuerin Frau Andrea E, die eine Schutzimpfung des Betroffenen gegen Covid-19 (derzeit) ablehnt, wird abgelehnt.“

Diesen Beschluss, der einer Anordnung zur  Zwangsimpfung gleichkommt, wollte Andrea E. nicht hinnehmen.  Zumal sie um die Vorgeschichte ihres Bruders wusste, dessen Behinderung die Eltern in den Zusammenhang mit einer Impfung in der Kindheit stellten, auch wenn dies offiziell nie erkannt wurde. Sie wusste, dass „Harald“  sich mit Händen und Füßen gegen jede Impfung wehren würde und würde sich selbst auch keinen Stoff spritzen lassen, der nur eine Notzulassung hat.

Andrea E. wandte sich zunächst hilfesuchend an die Stiftung Corona Ausschuss.  Da man dort keine Kapazitäten hatte, um zeitnah zu reagieren, wurde die Anfrage an die Pflegeethik Initiative weitergeleitet.  So nahmen wir uns der Sache an.  Zunächst in dem wir diese Beschwerde gegen den AG Beschluss entworfen haben, welche die Schwester/Mitbetreuerin  eingereicht hat.  Da der Betreute selbst sowohl schreiben als auch lesen kann, rieten wir außerdem dazu, selbst eine schriftliche Erklärung abzugeben bzw. die hier vorgelegte zu unterzeichnen. Ablehnungserklärung -Impfbeschluss vom 15.03.21

Auf diese Beschwerde/Erklärung hin fand kurze Zeit später ein Anhörungstermin in der Einrichtung  statt.  Im Ergebnis blieb es jedoch dabei: Der Betreute erklärte, sich nicht impfen zu lassen.  Weil er das verbal nicht begründen konnte, leiteten Betreuerin und Amtsrichterin daraus eine Unfähigkeit zur Willensbildung ab.  Sie erkannten weder sein eindeutiges „Nein“ noch sein „Weglaufen“  vor dem Impftermin noch die Argumente seiner Schwester/Mitbetreuerin (Gesundheitssorge) an.   Im weiteren war es dann Aufgabe des Landgerichtes über den Fall zu entscheiden.

Ergebnis: Beschluss vom 07.05.2021 – Az: 5 T 152/21

Auf die Beschwerde der Ehrenamtsbetreuerin des Betroffenen, Andrea E., sowie auf die Beschwerde des Betroffenen selbst wird der Beschluss des Amtsgerichtes Neunkirchen vom 15.03.2021, Az. 15XVII (W) 274/01, aufgehoben. Der Antrag der Berufsbetreuerin vom 17.02.2021 auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

In der  mehrseitigen Begründung drücken die Richter am Landgericht  ihr Unverständnis   gegenüber der Vorgehensweise des Betreuungsgerichts wie der Berufsbetreuerin aus.  Auf die Frage nach Nutzen und Risiken der Covid-Impfung wird nicht eingegangen.  Auch nicht darauf, ob der Betroffene die Tragweiter seiner Ablehnung  versteht.  Alleine die Eindeutigkeit, die er durch „Weglaufen“ vor der Impfung, sowie seine verbale Verneinung der Einwilligung zum Ausdruck brachte, gelte es  als natürliche Willensbekundung zu akzeptieren.

Da wir häufig erleben, dass  Betreuungsgerichte und Betreuer, dem „natürlichen Willen“ meinen keine Bedeutung zumessen zu müssen, bei Personen mit fraglicher Einwilligungs- bzw. Geschäftsfähigkeit, sei an dieser Stelle erklärt:

Unter dem „natürlicher Willen“ wird jede Reaktion der Ablehnung oder Zustimmung verstanden. Verweigert beispielsweise ein Pflegebedürftiger die Nahrung, indem er sich weigert den Mund zu öffnen oder die Hand desjenigen wegschiebt, der ihm das Essen anreicht, drückt er damit seine Ablehnung aus.  Würde die Pflegekraft versuchen, ihm das Essen gewaltsam einzubringen,  könnte sie wegen eines Gewaltdeliktes angezeigt werden.  Gleiches gilt bei ablehnendem Verhalten gegenüber der Einnahme von Medikamenten oder anderen medizinischen Maßnahmen.  Geschieht das häufig, so dass eine Selbstgefährdung vorliegt, kann das Gericht, mit einer gutachterlich untermauerten Begründung, eine Zwangsernährung oder Zwangsmedikation verfügen. Solange keine  solche Verfügung vorliegt, muss der „natürliche Wille“ beachtet werden. Das gilt für Angehörige ebenso wie für Ärzte, Pflegekräfte und rechtliche Vertreter.

Es gibt keinerlei Mindestfähigkeiten zur Willensbildung oder Umsetzung des Willens. Das Gesetz verlangt gerade nicht, dass der Ablehnende bestimmte intellektuelle Fähigkeiten hat, wie sie bei der Einwilligungsfähigkeit oder der Geschäftsfähigkeit gefordert werden. Ein „Nein“ oder eine Abwehrhandlung genügt.

Das LG hat im vorliegenden Falle offenbar auch die Brisanz der Lage erkannt.

Angesichts des Hypes um die  Covid-Impfung, die geradezu als Erlösung von allem Übel hingestellt wird, hat uns dieses Urteil freudig überrascht.  Es gibt offenbar doch noch Richter und Gerichte, die sich die Sachlage anschauen und unabhängig von ihrer persönlichen Meinung zur Impfung  oder dem Corona-Maßnahmen urteilen.


 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*