Betreuer versucht Ehepaar mit Gewalt auseinanderzubringen

Das Jahr 2017 begann mit einem neuen tragischen Fall in dem sich ein Betreuer über die Rechte des Pflegebedürftigen hinwegsetzt. Leidtragender ist der heute 51 jährige Herr M, der am 16. November ein zweites Mal  gewaltsam aus seinem Leben gerissen wurde. Zu einem Zeitpunkt als er sich gerade von der ersten Gewalttat soweit erholt hatte, dass er wieder mit wachen Sinnen, Freude und Zuversicht am Leben teilnehmen konnte.   Der erste Gewaltakt geschah am Neujahrsmorgen 2015. Nach einer hier nicht näher beschriebenen Vorgeschichte, brachte Herr M seine Frau durch verletztende Bemerkungen derart in Rage, dass diese eine Glasflasche ergriff und auf ihn einschlug.  Die dabei erlittenen  Schädelhirn -Verletzungen waren so schwer, dass er nach der Akutbehandlung in der Klinik und anschließender Behandlung in einer Spezialklinik als   nicht rehabilitationsfähig eingestuft wurde. Ein Pflegefall – Härtegrad. Überwiegend lag er apathisch im Bett,  unfähig sich aus eigener Kraft zur Seite zu drehen oder aufsetzen. Er konnte sich im Sitzen alleine nicht halten. Zwar versuchte man ihn täglich aus dem Bett zu nehmen, aber im Rollstuhl-/sessel sei er nach kurzer Zeit wieder zusammen gesunken und musste dann ins Bett gebracht werden.  Sprechen konnte er auch nicht,  zumal er durch eine Trachealkanüle geatmet hat und oft verschleimt war. Schlucken ging ebenfalls nicht, weshalb er komplett über eine PEG-Sonde künstlich ernährt wird.  Er ist vollständig inkontinent und hat einen Blasenkatheter.  In diesem Zustand stellte sich im August die Frage: Wohin mit dem Mann? Eigentlich wäre nur ein normales Pflegeheim in Frage gekommen.  Denn außer seiner Frau, war niemand aus seiner Familie bereit ihn zu pflegen. Da diese ihm die Verletzung jedoch zugefügt hat, mussten zuvor einige Bedenken ausgeräumt werden.

Frau M, die sich ihrer Schuld bewusst ist, bemüht sich von Anfang an um Wiedergutmachung. Sie ist über lange Zeit die einzige Angehörige die ihn besucht und sich kümmert, und sie macht das mit soviel Liebe und Geschick, dass die Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten, ihr die Pflege zu Hause zutrauen. So stimmt schließlich auch das Gericht zu, das über ihre Tat zu urteilen hat.

Im September 2015 wird Herr M in beschriebenem Zustand nach Hause entlassen, vollkommen abhängig von der Hilfe seiner Frau, die ihn bis April 2016 komplett alleine pflegt.  Nur zur Medikamentenverabreichung kommt einmal am Tag ein Pflegedienst, der diese Leistung über die Krankenkasse abrechnen kann.  Mehr Hilfe konnte sie sich auch aus finanziellen Gründen gar nicht leisten. Denn sie hat ihre Stelle aufgegeben und ihr Mann hat auch kein Einkommen.  Die Familie, zu der auch noch ein Sohn gehört, ist auf das Pflegegeld angewiesen. Frau M weiß oft nicht wie sie das alles hinbekommen soll.  Ihre Schwägerin  ist ihr da auch keine große Hilfe. Diese wird als rechtliche Betreuerin eingesetzt und muss zu allem gefragt werden.  Sie hat jedoch mit ihren eigenen Dingen genug zu tun und will am liebsten in Ruhe gelassen werden.

Trotz dieser widrigen Umstände gelingt es Frau M ihren Mann wieder zurückzuholen ins Leben.  Intuitiv lässt sie zwei  Medikamente weg (ein Neuroleptikum und Antiepileptikum), weil sie beobachtet, dass diese ihn „komplett umhauen“.  Dadurch wird er wacher und reagiert besser. Als sie merkt, dass er mithelfen will, setzt sie sich dafür ein, dass er regelmäßig Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie erhält.

„Der Andy ist wieder da.“, stellt wenige Wochen später sein Freund Oliver (siehe Foto) fest. Jetzt,  da er ihn wieder erkennt und sich interessiert, kommt er regelmäßig. Das hilft ihm seine Erinnerung an frühere gemeinsame Erlebnisse zu wecken.  Sein Freund bastelte u.a. zwei Memory, Buchstaben- und Zahlenkärtchen und übt mit ihm. Denn Herr M muss  fast alles wieder neu lernen. Dabei darf man ihn nicht überfordern, muss gute Zeitpunkte abpassen und in einer Art motivieren, dass er sich nicht wie ein Kind behandelt oder als Versager fühlt.  Ein harter und mühsamer Weg, auf dem es  auch Phasen der Niedergeschlagenheit und Resignation  gab, auch bei seiner Frau – die offen zugibt manchmal an ihre Grenze geraten zu sein.  Wenn sie dann jedoch diesen Mann in seiner Hilflosigkeit vor sich sah, seien ihr die eigenen Probleme unwichtig vorgekommen, erklärt sie:   „Es ist meine Schuld. Ich kann das Geschehene leider nicht ungeschehen machen. Aber für mich gibt es seitdem nichts Wichtigeres im Leben, als meinem Mann wieder auf die Beine zu helfen.“  Das Ergebnis beweist, dass dies kein Lippenbekenntnis ist.  Jeder kleine Erfolg wird gefeiert wie ein Etappensieg. Hierdurch fühlt sich Herr M ebenso angespornt wie alle, die sich um seine Rehabilitation bemühen.

Seine linke Hand habe er ziemlich schnell wieder gebrauchen können.  So berichtet Michaela B, eine gute Freundin der Ehefrau,  wie überrascht sie war, als Herr M von sich aus Kaffeekapseln in die dafür vorgesehene Spirale steckte.  Sie kann die Entwicklung ebenfalls bezeugen. Denn da sie nicht weit weg wohnt, war sie diejenige die selbstverständlich zur Stelle war und sich um  Herrn M gekümmert hat, wenn seinen Frau Besorgungen machen oder mal ein paar Stunden raus musste. Wenn sie selbst nicht konnte, sei ihre  Tochter  hingefahren.  Diese kann die kaum für möglich gehaltenen Fortschritte des Herrn M ebenfalls bezeugen.

Gerne sitzt Herr M am großen Fenster in seinem Zimmer. Von dort kann er in den Hof der Firma Gr schauen, seinem alten Arbeitsplatz, wo er vor seiner Gehirnschädigung  als KFZ Mechaniker, Hausmeister  und „Mann für alles“, gearbeitet hat.  Hier kann er seinen früheren Kollegen zuschauen, die ihm oft zuwinken.  Im Sommer sei ein Kollege  jeden Nachmittag nach der Arbeit gekommen und habe Gehübungen mit ihm gemacht. Dazu liegt uns ein sehr schönes Video vor.  Ein anderes Video zeigt, wie seine Frau ihn, mit einem Spezialrollstuhl, die wenigen Stufen von der Wohnung in den Hof bringt.  Auf ebener Fläche kann sich Herr M dann schon recht gut selbst fortbewegen.

Am 16.November wird Andreas M aus seiner vertrauten Umgebung herausgerissen und in eine Intensivpflege-WG verbracht.  Er will nach Hause und regt sich auf, wenn seine Frau und Freunde ihm erklären müssen, dass sie ihn nicht mitnehmen dürfen. Der Betreuer und das Pflegepersonal geben den Besuchern die Schuld für die  Aufregung, er brauche nach den Besuchen Medikamente um sich wieder zu beruhigen.  Seit dem 24. November darf er seine Frau nicht sehen, sie hat ein Kontaktverbot.  Seit dem 07. Januar haben auch sein Freund und Bekannte, ja alle Personen die sich für seine Rückkehr nach Hause einsetzen, Besuchsverbot. Dazu zähle auch ich, sowie  alle Personen die im Namen und auf Vermittlung des Pflege-SHV, in Erscheinung treten.

Die Rücksichtslosigkeit mit der sich dieser Betreuer zum Richter über die „böse Ehefrau“ erhebt, ist beispiellos.  Und das Personal der WG sieht sich verpflichtet, das Besuchsverbot durchzusetzen. Seit Dezember ist das Landgericht Tübingen für diesen „Betreuungsbeschwerdefall“ zuständig.  Am 08. Februar fand dann endlich eine sog. Anhörung des Herrn M in der Pflege-WG statt. Da der Vorwurf im Raum steht, dass Herr M gegen seinen Willen dort festgehalten wird, wurde dieser höchstwahrscheinlich in den Tagen vor dem angekündigten Termin entsprechend vorbereitet, so dass der Richter den Eindruck gewinnen konnte, Herr M würde sich wohl dort fühlen und wolle nicht mehr zu seiner Frau nach Hause.

Ende Januar hat der Pflege-SHV eine umfängliche Strafanzeige gegen den Betreuer und weitere Beteiligte eingereicht, die Staatsanwaltschaft Rottweil ermittelt nun. Außerdem haben wir den Betroffenen Anwälte vermittelt.  Aufgeklärt werden müsste dabei auch, ob hinter dieser  „Zwangsunterbringung“  wirtschaftliche Interessen und Verpflechtungen stehen.

Der Betreuer wie auch das Betreuungsgericht und die Betreuungsbehörde, sehen sich anscheinend berufen Frau M dafür büßen zu lassen, dass sie ihrem Mann die Verletzung beigebracht hat.  Sie fühlt sich jetzt ein zweites Mal abgeurteilt und dies, im Unterschied zu der Richterin und der Staatsanwältin die ihre Tat zu bewerten hatten, ohne jede Prüfung der tatsächlichen Sachlage.  Man hat sich darauf verständigt, dass diese Frau durch die Tat alle Rechter verwirkt hat.  So als wäre die Ehe geschieden, als würde sie gar nicht existieren, hat der Betreuer die gemeinsame Wohnung gekündigt, den Stromanbieter gekündigt.

Und wir sind erneut fassungslos, angesichts dieser Erfahrung von Gewalt, ausgeübt durch Betreuer mit Rückendeckung des Betreuungsgerichtes.

 


Weitere Entwicklung in diesem Fall 

Stand 11. April 2017:
Das Besuchsverbot gegen die Ehefrau, Freunde und alle Personen, die sich um Herrn M bemühen, besteht unverändert fort.   Lediglich konnte die Ehefrau über einen von ihr eingeschalteten  Familientherapeuten der Diakonie Nordschwarzwald einiges über Ihren Mann in Erfahrung bringen.  Dieser habe Herrn M im März jedoch nur besuchen dürfen, unter der Zusicherung der Verschwiegenheit gegenüber dem Betreuer.  Immerhin konnte er Frau M soweit beruhigen, als das ihr Mann mehrfach unzweifelhaft seinen Wunsch geäußert habe, zu seiner Frau nach Hause gehen zu dürfen.  Besorgt war Frau M hingegen, zu hören, dass er sehr verschleimt gewesen sei und zwischendurch von einer Pflegerin abgesaugt wurde.  Während der letzten Monate ihrer Pflege zu Hause, habe sie ihn nie absaugen müssen. Nur in den ersten Wochen, nachdem sie ihn aus der Klinik übernommen hatte.  Wie in Fachkreisen allgemein bekannt, kommt es bei trachealem Absaugen zu Schleimhautirritationen oder gar Verletzungen, die die natürliche Atemfunktion verschlechtern und somit  einen Zustand erzeugen können, in dem es eher nicht ratsam ist, ein bestehendes Tracheostoma zu verschließen.

Als Verfahrensbeteiligte  hatte die Ehefrau bereits kurz nach der gewaltsamen Unterbringung ihres Mannes Beschwerde eingelegt. Seit Januar 2017 liegt der Betreuungsfall dem  Landgericht Tübingen vor. Am 08. Februar führte der zuständige  Richter eine Anhörung durch.  Obschon es aus Sicht des Richters keinen Grund für das Besuchsverbot gab, was er auch dem Pflegedienst erklärte,  halten sich die Pflegekräfte an die Anweisungen des Betreuers.   Dies legt die Vermutung nahe, dass der Berufsbetreuer gemeinsame Sache mit dem Pflegeanbieter macht. Der Betreuer im Verbund mit dem Betreiber und den Mitarbeitern der WG  haben es schließlich in der Hand, den Patienten für ihre Zwecke zu beeinflussen. Herr M. ist diesen vollkommen ausgeliefert.

Mit Beschluss vom 31. März  hat der Richter vom Landgericht Tübingen einen Gutachter mit der Überprüfung der Sachlage beauftragt.
Unsere Strafanzeige liegt seit dem 23. März erneut bei der Staatsanwaltschaft Tübingen, die hoffentlich bald mit den Ermittlungen beginnen wird.

Die Journalistin Anette Dowideit, WELT am Sonntag,  hat diesen Fall als Beispiel für eine immer häufiger anzutreffenden Praxis ambulanter Intensivpflegedienste aufgegriffen, den Verschluss eines Trachestomas „Loch im Hals“ hinauszuzögern oder zu verhindern, um den Intensivpflegestatus des Patienten zu erhalten.  Lesen Sie hier  Tracheostoma-WELT-Beitrag vom 09.04.17

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