Während sich die Pflegewissenschaft für den Ausbau der Akademisierung stark macht, als sei nur auf diese Weise, Ansehen und Zulauf in die Pflegeberufe zu sichern, sehen andere darin die Ursache für das immer weitere Auseinandertriften von Theorie und Praxis. Da werden auf der einen Seite hochtrabende Theorien und Standards ersonnen, während auf der anderen fast schon jeder eingestellt wird, der einpaar Worte deutsch spricht, arbeitswillig und köperlich fit erscheint. Kranken- und Altenpflegeschulen stellen eine hohe Abbruchrate fest, wobei vor allem diejenigen aufgeben, die das System hinter den Zuständen sehen, also erkennen, unter den Umständen gar keine Chance zu haben, so zu pflegen, wie sie es gelernt haben und für richtig halten. Lesen Sie hier den Bericht einer Gesundheits- und Krankenpflegerin in einem Akutkrankenhaus. Dabei sind fast überall in den Kliniken Leitungsfunktionen von Personen mit Hochschulabschluss in Pflegepädagogik oder Pflegemanagement besetzt.
Elka Horvath hat Jahrzehnte als Krankenschwester in der stationären Pflege gearbeitet, zuletzt in einem Pflegeheim. Sie hat die krankmachende Sparpolitik buchstäblich am eigenen Körper erlebt. Nun ist sie ausgestiegen und hat ihre Erfahrungen in einem kürzlich erschienen Buch verarbeitet: Zuerst Depression dann Wachkoma. Als Mitglied im Pflege-SHV setzt sich Frau Horvath für bessere Pflegebedingungen ein. Als kürzlich in ihrer Tageszeitung berichtet wurde, “ Der Bachelor kommt ans Bett“, schrieb sie diesen Leserbrief:
Zur Bachelor-Ausbildung in den Gesundheitsberufen
Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege wichtiger als Akademisierung
Nach Empfehlung des Wissenschaftsrates, dem wichtigsten wissenschaftlichen Beratergremium der Politik, sollen zehn bis 20 % eines Ausbildungsjahrgangs in Gesundheitsfachberufen wie Kranken- oder Altenpfleger akademisch qualifiziert werden. Mit höheren Kompetenzen sollen diese Berufe aufgewertet werden.
Rechtfertigt der Preis des Programms, und die entstehenden höheren Lohnkosten, den Nutzen? Wozu diese Investition von Millionen von Euro, wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht ändern?
Die derzeitigen Pflegemissstände werden auch nicht mit akademisch gebildeten Pflegepersonal gelöst. Wir brauchen eine menschenwürdige, respektvolle, vertrauensvolle und empathische Pflege! Diese kostet Zeit, welche auch eine Pflegekraft mit Bachelor- oder Masterabschluss nicht haben wird, da auch für sie die zunehmende Arbeitsverdichtung gilt.
In unserer Gesellschaft verschwinden Menschlichkeit und ethische Werte zugunsten vom Profit. Pflege als Berufung hat ausgedient. Angesagt ist die Minutenpflege. Für Zuwendung bleibt keine Zeit. Die Industrialisierung hat auch diese Branche übernommen.
Junge Menschen, mit von Idealismus geprägten Vorstellungen, werden schnell desillusioniert. Ältere resignieren. Jeder tut das Möglichste, wobei das Nötigste beim Arbeiten mit einer Mindestpersonalbesetzung nicht erreicht wird. Hohe Krankenstände und hohe Fluktuationsraten verschärfen die Arbeitssituationen. Unzufriedenes Personal, Patienten und Angehörige sind die Folge.
Auch ohne akademische Ausbildung muss jede Fachkraft wissen, wie sie im Notfall zu handeln hat. Das nötige Fachwissen, schnelles, vorausschauendes Handeln, das Setzen von Prioritäten, gehören zur Ausbildung. Erst Jahre der Erfahrung bringen Sicherheit im Handeln. Empfehlenswert wäre ein erweiterer Kompetenzbereich mit regelmäßigen Befähigungsnachweisen zur eigenen Absicherung. Wie steht die Ärzteschaft zu der Thematik?
Übrigens, was die Anerkennung der Pflegeberufe betrifft, auch davon ist unser Staat noch weit entfernt. Straftäter leisten Sozialstunden in Altenheimen. Arbeitslose sollen als
Altenpflegehilfskräfte eingesetzt werden oder erhalten in Crashkursen eine Ausbildung zur Betreuungskraft… Nach dem Motto: „Das kann doch jeder.“ – Mitnichten!
Elka Horvath, Blaubeuren
Schönwetterreden sind gehen am Thema vorbei
Es seltsam, dass auf dem Weg von der guten und qualifizierten Ausbildung, hin zum Einsatz am pflegebedürftigem Menschen, die Fachkräfte von einer Art kollektivem Wissensverlust leiden. Wie ist es sonst möglich, dass (fast) in der gesamten Pflege wissentlich alle pflegerischen und vor allem die menschlichen Grundsätze ignoriert werden.
Wir brauchen
– mehr Pflegekräfte
– bessere Bezahlung
– bessere Arbeitsbedingungen
– weniger Schreibtisch-Strategen
– mehr Pflegekräfte die diesen Job auch als Beruf(ung) sehen.
Sehr geehrter Herr Melcher,
leider nehmen Sie dem Leser Ihres Beitrages jede Chance, diesen zu verstehen. Es wäre wünschenswert, die unterstrichenen Passagen näher zu erläutern!
Die Trias des BMG, die Herren Gröhe, Laumann und Span, werkeln permanent an irgendwelchen „Pflegestärkungsgesetzen“ herum. „Ziel“ des Ganzen ist u. A. die Aufwertung der Pflegeberufe. Eines ihrer Instrumente soll die Akademisierung sein. Personen die diese durchlaufen, werden vermutlich nicht am Bett stehen, sondern Leitungsfunktionen anstreben.
Gleichzeitig werden „Ausbildungen“ angeboten, welche den Namen nicht wert sind. Einiges ist in der Arbeit der Frau Horvath erwähnt. Wo bleibt da die gesellschaftliche Anerkennung?
Der Stellenwert einer Pflegkraft ist denkbar schlecht. Warum? Die Zeiten der Florence N. sind längst vorbei. Der Patient/Bewohner ist zur Ware degradiert worden. Denn es zählen nur Zahlungsmittel und Belegungszahlen. Ich sprach vor Jahren schon von einer Gesundheitsfabrik. Mit möglichst geringem Aufwand, den größten Erfolg erzielen. Das macht betriebswirtschaftlich Sinn, aber wir arbeiten am Menschen.
Nach der Liberalisierung des Gesundheitswesens, war diese Entwicklung vorprogrammiert.
Nun bin ich auf die Tatkraft der Berliner Runde gespannt;