Behandlungsfehlerstatistik 2011: MDK erstellen mehr als 12.500 Gutachten

Wenn eine medizinische Behandlung für den Patienten nicht gut ausgeht, stellt sich die Frage: War es ein Behandlungsfehler? Patienten, die einen solchen Verdacht haben, stehen zunächst oft alleine da und sind auf unabhängigen medizinischen Sachverstand angewiesen. Nur so haben sie eine Chance, mögliche Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Allein im Jahr 2011 haben die Gutachterinnen und Gutachter des MDK 12.686 Behandlungsfehlervorwürfe begutachtet. In nahezu jedem dritten Fall (32,1%) wurde der Behandlungsfehler bestätigt. Das geht aus der aktuellen Behandlungsfehlerstatistik hervor, die der Medizinische Dienst am 5. September in Berlin vorgestellt hat.

„Als Patientinnen und Patienten wünschen wir uns die bestmögliche Behandlung und eine, die fehlerfrei ist. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Fehler gemacht werden“, so Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes (MDS). „Wenn sich betroffene Patienten an die Krankenkasse wenden, können sie vom MDK ein fundiertes fachärztliches Gutachten erhalten. Das geplante Patientenrechtegesetz stärkt diesen Anspruch der Betroffenen auf Unterstützung. Das begrüßen wir.“

Zwei Drittel, nämlich 8.509 der 12.686 Behandlungsfehlervorwürfe des Jahres 2011 richteten sich gegen Krankenhäuser (67%). Nur rund ein Drittel – 4.177 Fälle – wurde gegen einen niedergelassenen Arzt oder eine niedergelassene Ärztin erhoben (33%). Bei nahezu jedem dritten Fall (32,1%) kamen die Gutachterinnen und Gutachter des MDK zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. In drei von vier bestätigten Fällen (75,1%) sahen die MDK-Gutachter es als gegeben an, dass der Behandlungsfehler für den gesundheitlichen Schaden verantwortlich ist.

„Viele Vorwürfe bedeuten aber nicht automatisch auch viele Behandlungsfehler“, unterstreicht Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin Sozialmedizin des MDK Bayern, der die Daten aller MDK gemeinsam mit dem MDS ausgewertet hat. „Die chirurgischen Fächer Orthopädie/Unfallchirurgie und die Allgemeinchirurgie werden am häufigsten mit Behandlungsfehlervorwürfen konfrontiert, gefolgt von Zahnmedizin und Gynäkologie. Im Verhältnis zur Zahl der Vorwürfe werden die meisten Behandlungsfehler aber in der Pflege, in der Zahnmedizin sowie in der Gynäkologie und Geburtshilfe bestätigt.“ Rückschlüsse auf die Behandlungsqualität insgesamt sind nach Zobels Darstellung jedoch nicht möglich, da es sich um absolute Zahlen handelt, die in Relation zur Zahl der Behandlungen im jeweiligen Fach gesehen werden müssen. „Dennoch müssen wir in Zukunft unsere Analysen in den Fächern vertiefen, die eine besonders hohe Bestätigungsquote zeigen“, betont Zobel.

Was die Krankheiten betrifft, stellten die MDK-Gutachter die meisten Behandlungsfehler bei der Kniegelenks- und Hüftgelenksarthrose und bei der Zahnkaries fest. Bei den Eingriffen kamen gemäß der MDK-Statistik die meisten Fehler beim Hüftgelenksersatz vor, gefolgt von der Wurzelspitzenresektion und dem Kniegelenksersatz.

Fehlerprävention als Ziel

Bei der Beurteilung eines Behandlungsfehlervorwurfes werden alle Bereiche ärztlicher Tätigkeit – von der Diagnose über die Therapie bis zur Dokumentation – unter die Lupe genommen und statistisch erfasst. Mehr als die Hälfte der Vorwürfe richteten die Versicherten 2011 gegen Therapiemaßnahmen. Tatsächlich sahen die MDK-Gutachter bei festgestellten Behandlungsfehlern den Fehler überwiegend beim therapeutischen Eingriff (41,3%), gefolgt vom Therapiemanagement (23,6%) und der Diagnose (23,1%). Erst dann folgten Dokumentations- und Aufklärungsmängel und Pflegefehler. „Nach unserer Erfahrung kommt es bei einer erheblichen Zahl von Behandlungsfehlern zu einer Verkettung von Versäumnissen“, erläutert Zobel. „Im Vergleich zeigt sich, dass sich bei manchen Krankheiten Fehlerarten häufen. Hier müssen tiefergehende Analysen ansetzen, um systematische Mängel aufzudecken und konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln zu können.“

Patientenrechtegesetz ist Schritt in die richtige Richtung

„Unser Ziel als Medizinischer Dienst ist es zu allererst, die Geschädigten interessenneutral zu unterstützen“, so MDS-Vize Gronemeyer. „Dabei bleiben wir aber nicht stehen. Wer Fehler vermeiden will, muss zunächst wissen, wo und wie sie passieren. Mit den Erkenntnissen, die wir bei der Bearbeitung der zahlreichen Fälle gewinnen, können und wollen wir dazu beitragen, Fehler zu vermeiden und die Sicherheit von Patientinnen und Patienten zu verbessern.“

Positiv bewertet Gronemeyer die Regelung des geplanten Patientenrechtegesetzes, aus der Kann-Lösung für die Krankenkassen bei der Unterstützung der Versicherten eine Soll-Vorschrift zu machen: „Als Medizinische Dienste befürworten wir die Absicht des Gesetzentwurfs, die Unterstützung von Versicherten bei der Aufklärung von Behandlungsfehlern zu einer regulären Dienstleistung auszubauen. Da wir schon heute die Institution sind, die in Deutschland die meisten Behandlungsfehlergutachten erstellt, können sich die Patientinnen und Patienten beim MDK auf eine fundierte fachärztliche Unterstützung im Schadensfall verlassen.“ Allerdings geht Gronemeyer das geplante Gesetz nicht weit genug: „Was wir im Sinne einer neuen Sicherheitskultur beispielsweise dringend brauchen, sind Regelungen zum Vertrauensschutz bei gemeldeten Fehlern, wie es sie z. B. bei den Fehlermeldesystemen in Dänemark oder den USA schon gibt.“

Ergänzung von A.v.Stösser

Von keiner Statistik werden bislang Behandlungs-und Pflegeverläufe verfasst, wie der hier 2004 dokumentierte.  Die Amputation wurde korrekt durchgeführt, die Wunden sind gut verheilt. Doch was diese alterskranke, demente Frau im Vorfeld und auch nach der Amputation erleiden musste, ist den falschen Ansätzen in Medizin und Pflege geschuldet.

Wie  Medizin und Pflege den Kranken kränker macht. 

 

3 Kommentare

  1. Bereits bei den Krankenkassen sollte es eine Registratur über verordnete Medikationspräparate für den Versicherten geben verbunden mit einem Überprüfungssystem, welches autiomatisch Alarm gibt, wenn Multimedikation Neben- und Wechselwirkungen verursacht.

    Gerade mit der elektronischen Gesundheitskarte wäre diese Möglichkeit dem Grunde nach gegeben. Nicht zuletzt auch im Sinne einer Kostenreduzierung hinsichtlich sinnloser Rezeptierung von schädigender ‚Pillentherapie‘. Hier wäre zumindest für Pflichtversicherte ein Ansatz, um der Verschreibungswut wenigstens engere Grenzen zu setzen. Gerade das würde jenen besser hilfreich sein, die – wie im Artikel erwähnt – ‚… völlig hilflos und abhängig sind und keinen Angehörigen/Betreuer haben, der sich für ihr Wohl interessiert.‘ Insbesondere bereits im Vorfeld, wenn ohne vorheriges Aufklärungsgespräch mit dem Patienten oder dessen Vorsorgebevollmächtigten Sedierungen aus niederen Beweggründen erfolgen, erfahren Sie in meiner Dokumentation „Chronik einer Sedierung“ lesen: ‚Chronik einer Sedierung

  2. Tatsächlich dürfte die Zahl der Kranken und Pflegebedürftigen, die durch eine Behandlung kränker werden oder gar sterben um ein tausendfaches höher liegen. Bedenkt man alleine den ärztlich verordneten Pillenkonsum bei alten und pflegebedürftigen Menschen, die in dieser Statistik gar nicht vorkommen, weil sie sich nirgendwohin wenden können.

    Zu fordern wäre in der Tat, eine systematische Mängelerfassung bzw. Vermeidung. Nicht nur dann, wenn eine Beschwerde bei der Kasse eingeht. In die systematische Erfassung müssten unbedingt auch die Patienten einbezogen werden, die völlig hilflos und abhängig sind und keinen Angehörigen/Betreuer haben, der sich für ihr Wohl interessiert.

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