Nachdem ihre Mutter im Frühjahr verstorben war, deren häusliche Pflege Elke F. seit 2016 sichergestellt hatte, freute sie sich in diesem Jahr nochmals an einer Jahrestagung der Pflegeethik-Initiative Deutschland e.V. teilnehmen zu können. Elke F. wurde 2016 Mitglied, weil sie erleben musste, wie ihre nach Schlaganfall halbseits gelähmte Mutter während eines Krankenhausaufenthaltes von der Nachtwache im Bett an Armen und Beinen fixiert worden war. Von dieser traumatischen Erfahrung, hatte sich die Mutter nicht wieder erholen können. Sie litt seitdem unter Ängsten und geriet beim Anblick von Menschen im weißen Kittel regelrecht in Panik. Elke F. war zu dieser Zeit Mitte vierzig und voll berufstätig. Ihr Vater, der die Hauptlast trug, benötigte ihre mentale Unterstützung. Immer wieder kam es auch zu Konflikten mit den Betreuungskräften, weshalb die Tochter klären oder für Ersatz sorgen musste. Ein wirklich freies Wochenende oder einen entspannten Urlaub gab es für sie in der Zeit nicht.
Mitte Oktober 2025 schrieb Elke F. , dass sie plane gemeinsam mit dem Vater zu unserer Jahrestagung nach Leutesdorf zu kommen. Stattdessen jedoch muss sie sich jetzt um den Vater kümmern, der seit einer Operation an den Folgen der Komplikationen leidet. Am 9. November schickte sie mir folgende E-Mail:
Hallo Frau von Stoesser,
mein Vater ist schon wieder im Krankenhaus. Durch einen Fehler in dem Krankenhaus Main-Kinzig-Kreis, in dem meine Mutter bereits geschädigt wurde, hat er einen Bauchdeckenkatheter bekommen. Der Eingriff war mit starken Blutungen verbunden, weshalb er jetzt in Fulda im Krankenhaus liegt. Ich habe alles durch, von hysterischen Ärzten, überarbeiteten Pflegekräften, falschen Medikationen, Befunde, die sich innerhalb von 24 h ändern (habe ich nur rausgefunden, weil ich die Patientenakte angefordert habe), einem Sozialdienst, der die Missstände im Krankenhaus kennt, einem überlasteten Pflegedienst, einer Pflegekasse, der ich Rechenschaft ablegen muss, weshalb ich mich habe freistellen lassen, einem Hausarzt, der falsche Medikamente verschreibt, ach die Liste ist lang und wird täglich länger, der MDK kommt ja auch noch.Ich weiß nicht wer hier wie helfen kann. In den letzten Wochen wurde ich geschult, wie ich eine Sauerstoffmaske einsetzen muss, wenn mein Vater unter Atemnot leidet, wie ich einen Katheter spülen muss, wenn dieser verstopft ist, wie mein Vater zu ernähren ist und wie er wann gespritzt werden muss. Geht’s noch? Die erste Nacht nach der Entlassung des ersten KK Aufenthalts musste ich schon den Notarzt rufen, an dem WE war ein befreundeter Rettungssanitäter 6 x bei uns.
Er wurde zu früh entlassen… eben kein Fall mehr….
Eigentlich muss man als pflegende Angehörige Psychologin, Ärztin, Pflegekraft, Juristin, Kämpferin und Mensch sein. Wie soll das gehen?Ich habe das Pflegethema noch nicht gelöst… weil ständig etwas anderes ist.
Ja, was mich angeht…ich bin einfach müde… müde vom ständigen wachsein, im Sinne von dauerhaft unter Adrenalin stehen, vom ständigen kämpfen, fordern, hinterfragen, beschweren, lernen.
Ich hoffe, dass ich es irgendwie hinbekomme und kommen kann, weiß aber einfach momentan noch nicht, wie es weiter geht.Wer nicht pflegt, weiß nicht was das bedeutet. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass meine Angst alt zu werden, nicht noch größer wird.
Ich wünsche mir keine Beratungsangebote sondern aktive Hilfe.
Ich wünsche mir, nicht mehr alles einfordern zu müssen, mich kontinuierlich für alles rechtfertigen müssen, Bittstellerin zu sein.
Ich wünsche mir, dass wir in Würde alt werden können.
Ganz liebe Grüße & bis bald
Elke F.
Das Titelfoto wurde während der 20. Jahrestagung der Pflegeethik-Initiative Deutschland e.V. am 16. November 2025 aufgenommen. Es zeigt Ingrid Brill und Adelheid von Stösser, beim Thema: Kommunalisierung der Pflege. Da Elke F. leider nicht kommen konnte, hat Frau von Stösser ihre o. s. E-Mail vorgelesen. Als einen von ungezählten Erfahrungsberichten, die die zwingende Notwendigkeit einer grundlegenden Pflegereform in Deutschland unterstreichen. Lesen Sie dazu auch den Beitrag:
Wie die Pflege vom Kopf auf die Füße gestellt werden kann. – Pflegeethik Initiative Deutschland e.V.
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