Reaktion der Politik auf die alltäglichen Menschenrechtsverletzungen in der Pflege

Der öffentlich ausgetragene Wahlkampf 2017 blendet das Problemfeld  PFLEGE  vollständig aus – abgesehen von vereinzelten Hinweisen auf die unterbezahlte Krankenschwester oder Altenpflegerin.  Weder die Bundeskanzlerin noch ihr Herausforderer wollen sich vorstellen wie es den eigentlich Notleidenden in der Pflege ergeht: Den altersschwachen und kranken Menschen, die nicht mehr wählen können; die still und stumm vor sich hinleiden müssen, denn wenn sie um Hilfe rufen werden sie zumeist ruhig gestellt.   Wir sprechen von denen, die sich nicht organisieren und beschweren  können,  die zumeist gegen ihren Willen in Heime abgeschoben werden, wo dann andere verfügen, wie sie zu leben beziehungsweise zu sterben  haben.

Unsere Anfrage an die Parteien und ausgewählte PolitikerInnen im Wahljahr 2017 hat die Notlage der Pflegebetroffenen im Blick.  Wir wollen wissen, inwieweit den  führenden Politikern/Parteien  die Problemlage überhaupt bekannt ist und was sie  gegen  die alltäglichen Menschenrechtsverletzungen zu tuen gedenken.

Hier die Anfrage des Pflege-SHV im vollen Wortlaut: Anfrage an Politik im Wahljahr 2017

Im Folgenden finden Sie die Antworten:

Bündnis 90/ die Grünen:  Schon zwei Tage noch der Anfrage  antwortete Elisabeth Scharfenberg, die pflegepolitische Sprecherin der Partei, jedoch ohne auf die eigentliche Fragestellung einzugehen.  Ihre postwendende Mail war wohl der Haltung geschuldet: Ich erledige das noch, bevor ich nach der Bundestagswahl aus dem Amt ausscheide und für einen Pflegeanbieter tätig werde.  Diese  „schnelle Abfertigung“  der Anfrage wollte ich so nicht  stehen lassen und bat darum, unsere Fragen innerhalb der Partei ernsthaft zu diskutieren und Lösungsansätze zu jedem der 4 Punkte zu beschreiben.  Herausstellen möchte ich an dieser Stelle, dass diese Partei, namentlich Frau Scharfenberg, bisher als einzige regelmäßig auf Anregungen des Pflege-SHV  geantwortet hat. Die ausführliche Antwort der Grünen, lässt uns hoffen, dass die Probleme der Pflege, auch nach dem Ausscheiden von Frau Scharfenberg ein Thema in dieser Partei sein werden.
Die Antwort der Grünen: AW-GRÜNE- zur Wahlanfrage 2017

DIE LINKE:   Auch die LINKE lässt nicht lange auf eine Antwort warten. Sowohl der 2. Parteivorsitzende, Bernd Riexinger, als auch die pflegepolitische Sprecherin, Pia Zimmermann, fühlten sich angesprochen und beschreiben pflegepolitischen Handlungsbedarf.   Während Herr Riexinger eher allgemein antwortet, geht Frau Zimmermann konkret auf jede einzelne Frage ein.  Wahlprüfsteine-2017-AW-Linke

 

Von der  CDU erhielten wir ganz unterschiedliche Reaktionen:

Ingrid Fischbach, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Patienten- und Pflegebeauftragte der Bundesregierung, erklärte mir in einem rund einstündigen Gespräch am 22.August,  dass auch sie diesbezüglichen Handlungsbedarf sieht und sich persönlich im Sinne unserer Forderungen einsetzen will.  Sie kündigte außerdem eine schriftliche Antwort an, bat jedoch um Nachsicht, wenn sie das vor der Wahl wohl nicht mehr schafft, weil sie fast jeden Tag Termine hat und außerdem aktuell selbst als Tochter einer pflegebedürftigen Mutter gefragt ist.

Hubert Hüppe, Bundestagsabgeordneter der CDU und ehemals Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, mit dem unser Mitglied Herbert Dümpelmann sprach,  erklärte, dass er   generell die Forderungen nach einer Pflege, die die menschlichen Aspekte in den Vordergrund vor wirtschaftlichen Interessen stellt, unterstütze.   Die in dem offenen Brief des Pflege-SHV genannten Forderungen betrachtet Hüppe als unbedingt unterstützungswürdig. Im neuen Bundestag – falls er dort wieder vertreten ist – verspricht er sich dafür einsetzen, diese Punkte zu thematisieren, um Verbesserungen zu erreichen.  Er ist sich aber auch bewusst, dass dies nicht einfach werden wird. Hierzu brauche es auch der Unterstützung aus der Bevölkerung.  Dass der Pflege- SHV  hier immer wieder Mängel aufzeigt und sich für die Interessen der Pflegebedürftigen einsetzt und somit auch die Mängel und Schwachstellen in der Pflege aufzeigt, sieht Hüppe ausdrücklich positiv.

Erwin Rüddel, CDU Bundestagsabgeordneter und pflegepolitischer Sprecher,  verweist  in seiner Antwortmail auf die jüngsten Gesetze, in der Art: Wir sollten erst einmal abwarten, bis das gerade auf den Weg gebrachte PSG II und III greift: AW-Erwin Rüddel CDU auf Wahlanfrage 2017
Da seine Antwort keinen Bezug zu unserer Anfrage hat, habe ich ihm die konkrete Fragestellung tags darauf nochmals geschickt und außerdem ein Gespräch angeregt.  Das Büro des Pflege-SHV befindet sich im Wahlkreis von Herrn Rüddel.
Zeitgleich machte dieser pflegepolitische Sprecher mit einem Vorschlag zur Senkung der Fachkraftquote in den Pflegeheimen von sich Reden. Das verstärkt unseren Eindruck, dass Erwin Rüddel nicht zuletzt als politischer Fürsprecher des privaten Heimbetreiberverbandes bpa unterwegs ist.  Hatte er doch bereits mit der  gleichen Argumumentation wie Bernd Meurer, Vorsitzender des bpa, das neue Pflegeberufegesetz zu verhindert versucht.    Kaum das wir diesen Verdacht intern angemerkt hatten, strahlte uns Erwin Rüddel von der Titelseite des bpa.magazins entgegen.  Für alle, die es nicht wissen sollten: Herr Rüddel war vor seiner politischen Laufbahn, Betreiber/Geschäftsführer eines privaten Pflegeheims in Hessen.

Die FDP: Bei den freien Demokraten herrschte wohl zunächst Unklarheit, wer auf unsere Fragen antworten soll.  Da der FDP Wahlkampf  auf die Person Christian Lindner abgestellt ist, antwortete zunächst dessen persönliche Sprecherin  mit einer kurzen, wohlmeinenden  Absichtserklärung.  Inzwischen liegt jedoch eine ausführlichere Stellungnahme vor,  verfasst von Nicola Beer, MdL und Generalsekretärin der FDP:  AW-FDP zur Wahlanfrage 2017

Die SPD: Den gestern  bereits verfassten Satz, dass  weder seitens des Kanzlerkanditaten Schulz noch, des Gesundheit- und Pflegeexperten  Karl Lauterbach, noch sonst ein  SPD Bundestagsabgeordneter auf unser Anliegen reagiert hat, kann ich heute revidieren.  Helga Kühn-Mengel schickte folgende Antwort der SPD:  AW-HelgaKühn-Mengel-SPD

Auch der AfD habe ich die Anfrage geschickt. Bis auf die Mitteilung, die Anfrage sei weitergeleitet worden, bisher keine Reaktion

Von den angeschriebenen Vorsitzenden der CSU – gab es nicht einmal eine Empfangsbestätigung.  Diese Partei, so auch mein Eindruck der Vergangenheit,  scheint „Menschenrechtsverletzungen in der Pflege“ vollständig zu ignorieren.  Davon will man nichts hören und sehen. Denn was man nicht hört und sieht, darauf muss man auch nicht reagieren.

Allgemeines Fazit:  Immerhin lassen einzelne PolitikerInnen ein gewisses Problembewusstsein und persönliches Engagement erkennen.  Insgesamt muss jedoch festgestellt werden, dass  die angezeigten Menschenrechtsverletzungen gegenüber unseren pflegebedürftigen alten MitbürgerInnen entweder nicht geglaubt oder ausgeblendet wird.  Hierfür kann man nicht alleine die Politik und die Medien verantwortlich machen, denn diese bedienen schließlich Themen die eine Mehrheit interessieren.  Wer will schon wissen, was sich tatsächlich hinter den schönen Fassaden von Heimen abspielt?  Kollektives Wegschauen, als soziales Phänomen ist ja nicht neu.

All jenen die vielleicht deshalb nicht geantwortet haben, weil sie der Meinung sind, wir würden Einzelfälle aufbauschen, kann entgegen gehalten werden:

Terrorgewalt – gemessen an der gesamten Bevölkerung – aufgebauscht

Vergewaltigung von Frauen – gemessen an der Gesamtheit von Frauen- vernachlässigbar

Kölner Domplatte – nur eine geringen Anzahl von Frauen betroffen – aufgebauscht

Wohnungseinbrüche – im Verhältnis zu allen Wohnungen – aufgebauscht

Nur weil sich die pflegebedürftigen Menschen nicht wehren können und sich die Vorkommnisse (mit dem Versterben der Betroffenen) von  „selbst erledigen“, ist es verantwortungslos, dies generell zu verharmlosen.          (zitiert nach Herbert Dümpelmann)


Krankenpflegeschüler Alexander Jorde bringt die Bundeskanzlerin Angela Merkel in der  WAHLARENA  in Erklärungsnot.  Er konfrontiert sie nicht nur mit der Frage,  warum die Pflege hierzulande  in einem so schlechten Zustand ist, sondern verweist darauf, dass sie in den 12 Jahren Kanzlerschaft die Probleme in der Pflege vernachlässigt hat. Schauen Sie hier den Dialog auf Youtube


Für eine Pflegepolitik die sich um wirkliche Lösungen bemüht !

www.pflegeethik.zusammenhandeln.org

2 Kommentare

  1. Reden müssen wir darüber, dass Versuche an dementen Menschen erlaubt wurdenin der EU, man das ganze in Deutschland mit einer Ethikkommission ethisch verkaufen will, aber die Ethikommissionen haben gar keine Macht.
    Wie ethisch der Pflegetüv ist, wissen wir ja, und generell dürfen Versuche an Wehrlose nicht erlaubt werden. Der Nürnberger Kodex, der nach den Ärzteprozessen in Nürnberg verbschiedet wurde, sollte mal Thema werden. Die Medizinverbrechen des Drittes Reiches erst jetzt Thema überhaupt.
    Da bekommen viele Schnappatmung, wenn man diese Verbindung sieht.
    Haben wir denn nach dem Krieg mal über eine neue Medizinethik geredet. Wohl kaum.
    Vielmehr wurde ein Gesundheitsmarkt entwickelt. In Skandinavien nicht.

  2. Gerade von den Parteien mit dem -C- im Namen sollte man anderes erwarten, nicht nur was das Thema Pflege anlangt, oder? Erwin Rüddel ist ein Trickser und Blender (persönlicher Eindruck). Herbert Hüppe (CDU) spricht auch nur von unterstützungswürdig und thematisieren. Rainer Brüderle(FDP)hat es,selbst im Alter, noch nötig sich vor die Karre der millionenschweren privaten Pflegelobby spannen zu lassen.

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