Nicht nur geriatrische Stationen, sondern alle Abteilungen in denen Patienten mit Demenz aufgenommen werden, müssen die zur menschenwürdigen Versorgung notwendigen Voraussetzungen schaffen.
Mit dieser Kampagne will der Pflege-SHV den Geist in Kliniken und Krankenhäusern wecken, den diese bei Patienten mit Demenz oft vermissen lassen.
(Demenz = ohne Geist)
Bei Patienten, die zusätzlich zu ihrer Einweisungsdiagnose, Symptome von Demenz aufweisen, hängt der Erfolg einer Operation oder sonstigen Behandlung, stärker als bei anderen von der Betreuungsqualität ab.
Die fatalen Auswirkungen eines kurzen Klinikaufenthaltes hat Klaus-Peter Lohest bei seiner an Demenz erkrankten Tante erlebt. Als ehemaliger Abteilungsleiter im Gesundheits- und Sozialministerium Rheinland-Pfalz, war er über die Haltung von Ärzten und Pflegekräften an der Chirurgischen Universitätsklinik Mainz derart erschüttert, dass er damit an die Öffentlichkeit gegangen ist.
Kurze Zeit später wurde seine Frau, als Patientin der Chirurgie in einem Krankenhaus in Koblenz, erneut mit einer Situation konfrontiert, die zeigt, dass der Umgang mit altersverwirrten Patienten in den Kliniken dringend überdacht werden muss. Wenn schon jeder Laie erkennen kann, wo es hier hapert, dann sollte das den Fachleuten und Verantwortlichen in den Kliniken zu denken geben. Lesen Sie hier diese beiden Berichte.
Bei diesen Erfahrungen handelt es sich keineswegs um Einzelfälle. Vielmehr wird ein geradezu typisches Verhalten beschrieben.
Unser Appell an alle die hier Verantwortung tragen
Erklären Sie das Problem zur Chefsache!
Stellen Sie sich dieser Situation!
Schauen Sie sich an, wo in Ihrem Haus, Ihrer Abteilung die Schwachpunkte liegen und entwickeln Sie eine Strategie diese abzubauen.
Nehmen Sie sich ein Beispiel an Krankenhäusern, die das Problem bereits in Angriff genommen und Lösungen entwickelt haben.
Bewährte Maßnahmen in diesen Projekten:
Frühzeitige Erfassung dementieller Veränderung am Aufnahmetag
Einige Kliniken haben ein spezielles Screening zur Befragung des Kranken und der Angehörigen entwickelt Allerdings reichen gezielte Beobachtung folgender Reaktionen aus um bis zur diagnostischen Abklärung die richtigen Maßnahmen zu ergreifen: Der Patient wirkt verstört, verängstigt, kann auf Fragen keine sinngemäße Antwort geben, stellt immer die gleiche Frage, versteht nicht was man ihm zu erklären versucht, ruft um Hilfe, ruft nach der Mutter …
ACHTUNG: Hier sehen wir die Gefahr, das alte Menschen, die etwa durch einen Sturz vorübergehend verwirrt sind, vorschnell als dement eingestuft werden. Insofern bedarf es eines sorgfältigen Screenings, das die Situation vor der Krankenhauseinlieferung mit einbezieht.
Einbeziehung der Angehörigen
Wenn ein Patient wichtige Informationen selbst nicht geben kann, sind die Angehörigen in besonderer Weise gefragt. Es müsste selbstverständlich sein, dass ein Angehöriger wie Herr Lohest von Beginn an einbezogen wird. Ist der Angehörige außerdem Bevollmächtigter oder Gesetzlicher Betreuer, muss er über Sinn und Zweck der geplanten Behandlungsmaßnahmen informiert werden. Grundsätzlich darf kein Medikament verabreicht, kein Katheter und keine Sonde etc. gegen den Willen des Patienten und/oder Betreuers gelegt werden.
Angehörigen die bereit und zeitlich in der Lage sind, sollte die Möglichkeit des „Rooming in“ eingeräumt werden.
Schulung aller Mitarbeiter, die mit Demenzkranken in Berührung kommen
In dieser Hinsicht geht Schweden mit gutem Beispiel voran. Das von der schwedischen Königin Silvia initiierte Konzept Silviahemmet wurde 2009 im Malteser Krankenhaus in Köln eingeführt.
Sehr gute Erfahrungen werden auch aus Kanada und Frankreich von Kliniken berichtet, in denen das Personal nach der Methodik von Gineste und Marescotti geschult wurde.
Interdisziplinäre Fallbesprechungen mit Unterstützung durch Fachkräfte
Beispielsweise stellt das Klinikum Kaufbeuren ein Team gerontopsychiatrisch ausgebildeter Fachkräfte bereit, die bei Fallbesprechungen mitwirken und in schwierigen Situationen beraten.
Das ISO-Institut in Saarbrücken informiert auf der Seite: www.demenz-im-allgemeinkrankenhaus.de
Interdisziplinäre Abteilung für Menschen mit Demenz
Organisatorisch und wirtschaftlich spricht vieles auch für die Einrichtung einer Abteilung, in der alle Patienten mit Demenz von einem interdisziplinären Team betreut werden. Also auch Patienten die normalerweise auf der Chirurgie, Gynäkologie, Urologie etc. liegen. Diese Abteilung benötigt einen höheren Personalschlüssel. Ärzte und Pflegepersonal dieser Abteilung sind geschult und geübt im Umgang mit diesen Patienten. Beispiel: Bethanienkrankenhaus in Heidelberg – Projekt GISAD
Darüber hinaus bedarf es:
- Orientierungshilfen in den Zimmern und auf den Fluren
- Spezielle Notruf und Überwachungssysteme
- Sinnvolle Tagesstruktur und Beschäftigung
- Entlassungsplanung
- u.a.m.
Appell an die Politik
Kliniken/Krankenhäuser brauchen eine andere Finanzierungsmöglichkeit für den zusätzlichen Aufwand mit dementen Patientinnen und Patienten.
Appell an Ärztekammer und Pflegeverbände
Im Medizinstudium, wie auch in der Krankenpflegeausbildung muss das Phänomen Demenz umfassend behandelt werden. Da es keine wirksame medikamentöse Behandlung gibt, müssen die Betreuungsaspekte im Vordergrund von Ausbildung wie auch Therapie und Pflege stehen.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar