Welche Nahrung brauchen Sterbende wirklich?

Bei pflegebedürftigen alten Menschen macht sich das nahende Ende meist dadurch bemerkbar, dass Hunger und Durst nachlassen. Wenn trotz gutem Zuspruch, selbst bei Lieblingsspeisen, regelmäßig schon nach wenigen Bissen oder Schlucken abgelehnt wird, sollte dieses Signal bedacht werden.

Angehörige und Pflegekräfte reagieren hier oft unsicher. Schließlich wollen sie sich nicht vorwerfen lassen, den Kranken verhungern/verdursten zu lassen. Auch Ärzte geraten, bei Patienten die nicht an einer Krankheit leiden, für die die Medizin ein definiertes Endstadium kennt, häufig in Konflikt. So werden nicht selten noch wenige Wochen vor dem Tod, Sonden gelegt und immer wieder Infusionen gegeben, ohne dass klar ist, mit welcher Zielsetzung dies erfolgt. Gibt es hierfür keine wirklich guten Gründe mehr, so wird dem Betroffenen mit diesen Maßnahmen mehr geschadet als genützt.

Wie verhalte ich mich, wenn ein kranker, alter Mensch nichts mehr Essen und Trinken will? Was deutet darauf hin, dass es sich um den Beginn des Sterbeprozesses handeln könnte? Welche Ursachen kommen sonst noch in betracht? Welche Auswirkungen hat Flüssigkeitszufuhr auf den Sterbenden? Wie kommen wir in dieser Grenzsituation zu guten Entscheidungen?

Um diese Fragen ging es im September bei unserem PflegeTreff  in Köln, für den die  Palliativmedizinerin Dr. med. Ursula Becker gewonnen werden konnte. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der palliativen Versorgung von alten Menschen, die nicht an einer Krebskrankheit leiden.

Da alle Teilnehmer eigene Erfahrungen hatten, sei es mit Angehörigen oder Bewohnern/Patienten, war der Austausch sehr konkret.  Einigen hing das „schreckliche Siechtum“ der Mutter, des Vaters deutlich in den Knochen.   Sie fragten sich, was sie hätten anders machen können.  Demgegenüber standen zwei positive Beispiele, die deutlich machen, dass es vor allem auf die  Haltung der Ärzte, Pflegekräfte und Angehörigen ankommt.  Wer das Sterben als Teil des Lebens versteht und annehmen kann, wenn es zu Ende geht, für den stellt sich die Frage künstlicher Ernährung nicht.  Andererseits werden  Angehörige häufig unter Druck gesetzt einer PEG-Sonde zuzustimmen, mit dem Argument, den Kranken nicht verhungern oder verdursten lassen zu dürfen.   Dr. Becker verwies an dieser Stelle auf Studien und Erfahrungen, die bestätigen, dass es für den Sterbenen quälend ist, wenn ihm mehr Nahrung oder Flüssigkeit zugeführt wird, als der Körper verarbeiten kann.  Wichtig ist vor allem die Mundpflege und immer wieder anfeuchten der Mundschleimhaut.  Ein trockener Mund kann ein sehr quälendes Durstgefühl auslösen.  Dehydration verursacht hingegen eher eine angenehme Schläfrigkeit, ein hinwegdämmern.  So wie man sich eben ein natürliches Sterben vorstellt.  Erhält ein Sterbender hingegen noch Infusionen oder Nährlösung über die Sonde, kann man diesem in der Regel ansehen, dass er sich quält.  Durchfall oder Verstopfung, Erbrechen, Aspiration, Völlegefühl, Aufgedunsenheit, Atemnot, Wasser in der Lunge, sind häufige Erscheinungsformen derartiger medizinischer Interventionen.  Dass derartige Siechtumsszenarien heute eher die Regel sind, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass eine klare Bestimmung des Sterbestatiums schwer fällt.      Lediglich bei fortschreitender Tumorerkrankung  gibt der Arzt irgendwann zu verstehen, dass er nur noch palliativ helfen kann.  Bei alten Menschen, die an verschiedenen Gebrechen leiden und körperlich abbauen, fehlt es an allgemein akzeptierten  Kriterien.   Diese werden oft erst im Finalstadium als sterbend angesehen.


Nachtrag

In seinem Buch „Leben bis zuletzt„, geht  Prof. Dr. med. Sven Gottschling  auf viele Fragen und Ängste an der Schwelle des Todes ein.  Und dies in einer sehr berührenden, ja geradezu tröstlichen Weise.

Ebenfalls sehr empfehlenswert das Buch von Prof. Reimer Gronemeyer  Sterben in Deutschland: Wie wir dem Tod wieder einen Platz in unserem Leben einräumen können.

Von bleibendem Wert sind die Werke der weltweit bekannten Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross

1 Kommentar

  1. Mit großem Interesse habe ich den Beitrag gelesen und kann alles nur unterschreiben.
    Meine schwerstpflegebedürftige Mutter (89jährig mit dem Fahrrad gestürzt, Gehirnblutungen, 2 OPs, dann Koma, schließlich ´nach ca. 10 Tagen wieder erwacht auf dem Stand niedrigen Bewusstseins) wurde nach 3 Wochen Klinik mit PEG entlassen. Als ich nach 3 Monaten feststellte, dass sich keine Veränderung des geistigen Zustandeseinstellte, sie aber schlucken konnte, entschloss ich mich in Absprache mit der Hausärztin zur Stilllegung der Sonde. Die Heimleitung willigte nicht ein. Auch die Anrufung des Vormundschaftsrichters, der auf Grund der detaillierten Patientenverfügung meiner Mutter und meiner Generalvollmacht keine Veranlassung sah, dem nicht zu folgen, brachten keine Einsicht beim Heim. Meine Mutter war zudem durch die Überernährung mit der Sondenernährung sehr viel dicker und aufgedunsener geworden. Ich entschloss mich zur Entfernung der Sonde in einer Klinik. Danach durfte meine Mutter nicht mehr in das Heim zurück. Wir fanden eine anderes. Eine Mitarbeiterin des MDK warf mir vor, ich wolle meine Mutter „verhungern“ lassen.

    Meine Mutter lebte noch 6 Jahre ohne Sonde, wurde sogar in der ersten Zeit ansprechbarer. In der letzten Zeit (2011, mittlerweile 94 J.) war sie allerdings immer weniger bereit, Nahrung zu sich zu nehmen. Sie baute – zu Recht – sehr stark ab. Als ich eines Tages in das Heim kam, war sie in ihrem Rollstuhl in eine Art Liegeposition (wie beim Zahnarzt) gebracht worden, das Essen wurde ihr mit einer Magenspritze in den Mund gespritzt. Ich war entsetzt, vereinbarte mit der Heimleitung, dass nur mit dem Löffel gefüttert werden dürfte und nur so viel, wie angenommen werde.

    Das schien zu klappen. In der letzten Zeit beobachtete ich allerdings, dass meine Mutter mehr und mehr Nahrung verweigerte, sie aber immer wieder bei der Nahrungsaufnahme drangsaliert wurde, Atemnot hatte. Ich sprach es erneut an. Kein Verständnis. Meine Mutter hustete, hatte immer wieder Atemnot. Da wir sie ohnehin täglich besuchten, richteten wir es so ein, dass wir immer zu einer Mahlzeit anwesend waren und das Füttern selbst übernehmen konnten.

    Schließlich nahm ich meine Mutter ganz zu mir nach Hause. Sie war in einem präfinalen Zustand und wurde mir übergeben mit der Anweisung, täglich: 1400 ml + passierte Kost. Hätte ich dieser Anweisung Folge geleistet, wäre es eine Katastrophe gewesen!
    Ohne Probleme nahm meine Mutter lediglich max. 400 ml, später noch weniger. Sie wurde auch allmählich ruhiger und konnte nach 12 Tagen ruhig einschlafen.

    Mit freundlichen Grüße
    Ingrid Brill

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